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Schauspieler (2) Ich weiß nicht, ob die Geschichte in ihrem ganzen Umfang einen Sterblichen aufzuweisen hat, dessen Charakter zweideutiger, rätselhafter und schwerer unter einen Hauptbegriff zu fassen wäre, als eben dieser Augustus, von welchem, als der ersten Figur in dem großen Gemälde dieser Zeit, in gegenwärtigem Werke schon so oft die Rede gewesen ist. Wer, der die Begebenheiten der funfzehn Jahre seines Triumvirats, unter dem Namen Octavianus, und die Geschichte der übrigen zwei und vierzig Jahre seiner Regierung, in einem andern Buche unter dem Namen Augusts gelesen hätte, könnte sich vorstellen, daß er das Leben einer und eben derselben Person gelesen habe? Daß der feigherzige, undankbare, treulose, kaltblütiggrausame junge Bösewicht, dem keine Bande der Natur, keine Gesetze der menschlichen Gesellschaft, keine Verhältnisse des Lebens, mit einem Wort, dem nichts Göttliches noch Menschliches heilig, dem zu Beruhigung seiner mißtrauischen Furchtsamkeit, und zu Erreichung seiner ehrsüchtigen Plane kein Bubenstück zu schändlich war, - eben derjenige sei, der unter dem Namen August eine den Römern von jeher so verhaßte Autokratie durch eine Mäßigung, eine Klugheit, eine Aufmerksamkeit und Tätigkeit für das allgemeine Beste, die fast ohne Beispiel ist, beliebt und zu einer Wohltat für die Welt gemacht; - eben derjenige sei, mit dessen Namen die Römer ihre folgenden Beherrscher zu jeder Tugend eines guten Fürsten, eines allgemeinen Vaters, eines wohltätigen Genius, zu verpflichten und einzuweihen glaubten? - Es scheint unbegreiflich, und doch ist nichts gewisser, als daß der nämliche Mann in verschiedenen Perioden seines Lebens beides war.
Die Geschichte der Menschheit kennt kein andres Beispiel einer solchen Verwandlung;
die Natur scheint, ohne ein Wunder, welches hier schwerlich jemand annehmen
wird, keine solche Verwandlung zuzulassen; und diese seltsamste unter allen
seltsamen Erscheinungen würde immer ein unauflösliches Rätsel bleiben, wenn
wir nicht den Schlüssel dazu gebrauchten, den uns
Augustus selbst in dem einzigen aufrichtigen Augenblick seines Lebens - in seinem
letzten - gegeben hat. Nun, sagte er zu seinen umstehenden Vertrauten, dünkt
euch, daß ich den Mimus des Lebens leidlich gespielt habe? -
Wieland
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Kommentar zu den Briefen des Horaz
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