Schaukelstuhl  

 

- Saul Steinberg

Schaukelstuhl (2)

 -  Bosc, Alles, bloß das nicht! Zürich 1982 (Diogenes, detebe 21890)

Schaukelstuhl (3)  Er saß nackt in seinem Schaukelstuhl aus rohem, garantiert unzerbrechlichem Teakholz, das nachts nicht knarrte und gegen Würmer und Witterungsschäden gefeit war. Er gehörte ihm, er verließ ihn nie. Die Ecke, in der er saß, war durch einen Vorhang gegen die Sonne abgeschirmt, die arme, alte Sonne, die zum billionsten Mal wieder im Zeichen der Jungfrau stand. Sieben Schals hielten ihn fest. Zwei fesselten die Schienbeine an die Stuhlkufen, einer seine Oberschenkel an den Sitz, zwei die Brust und den Bauch an die Rückenlehne und einer seine Handgelenke an die hintere Querstange. Es waren nur äußerst begrenzte örtliche Bewegungen möglich. Schweiß brach ihm aus allen Poren und straffte die Gurte. Sein Atem war nicht wahrnehmbar. Die Augen starrten kalt und reglos wie die einer Möwe hinauf zu einem schillernden Fleck, der über dem Kranzgesims zusammenschrumpfte und verblaßte. Irgendwo wurde eine Kuckucksuhr, die zwischen zwanzig und dreißig geschlagen hatte, zum Echo eines Straßenhändlers, der nun, beim Betreten der Gasse, deutlich Quid pro quo! Quid pro quo! rief.

Dies waren Erscheinungen und Geräusche, die er nicht leiden konnte. Sie hielten ihn in jener Welt gefangen, zu der sie gehörten, er jedoch nicht, wie er töricht genug hoffte. Er fragte sich dunkel, was seine Sonne auflöste und welche Waren ausgerufen würden. Dunkel, ganz dunkel.

Er saß so in seinem Stuhl, weil es ihm Spaß machte! Zunächst machte es seinem Körper Spaß, es beruhigte seinen Körper. Dann befreite es ihn auch in seinem Geiste. Denn erst wenn sein Körper beruhigt war, konnte er beginnen, in seinem Geist zu leben, wie es im sechsten Kapitel beschrieben ist. Und in seinem Geiste leben, machte ihm Spaß, solchen Spaß, daß Spaß nicht das richtige Wort ist.  - (mur)

 

Stuhl Schaukel

 

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