chauen Die Ruhe des
wirklichen Schauens ist nur eine scheinbare, das Schauen ist ein höchster
und wildester Bewegungsprozeß. Die Schönheit
läßt sich nicht durch Kunst- und Literarhistoriker vorverdauen,
sie ist lebendig und geschmeidig wie ein Fisch, den es an seinen blutroten
Kiemen zu packen gilt, wenn man den schnellenden und noch im sprühenden
Wasser funkelnden erbeuten will. -
(ej)
Schauen
(2) Für
die Einheit von Gewahrwerden und Vorstellungskraft gibt
es vielleicht nur im Griechischen das entsprechende Zeitwort: dieses
besagt zuerst nur ein »Sehen«
oder »Bemerken«; und doch spielen
darin die Bedeutungen »Weiß«, »hell«,
»Glanz«,
»Leuchten«,
»Schimmer« mit. In mir war geradezu ein Sehnen
nach diesem Leuchten, das noch mehr ist als jedes Betrachten.
Ich werde mich immer nach jener Art des Schauens sehnen,
die auf griechisch leukein
heißt. - Peter Handke, Der
Chinese
des
Schmerz
es. Frankfurt
am Main 1986 (zuerst 1983)
Schauen (3) »Wenn du lange genug sitzen bleibst und schaust, zwei oder drei Stunden zum Beispiel, dann siehst du den Tod.«
Eine solche Verheißung wird uns nicht alle Tage gemacht: Ein Autor - es ist
Claude Simon in seinem frühen Roman Das Seil - erklärt uns, wie
man den Tod sehen kann. Man braucht
nur zwei oder drei Stunden irgendwo zu sitzen und nach
da und nach dort zu schauen, und schon ist es soweit. - Wilhelm Genazino,
Achtung Baustelle. Frankfurt am Main 1998