chatzkammer  Nachdem ich mir einen kräftigen Strick verschafft hatte, betrat ich das Schlafzimmer meiner Frau und fand sie, wie ich erwartet hatte, in tiefem Schlaf. Noch bevor sie aufwachte, hatte ich sie fest an Händen und Füßen gefesselt. Sie war höchst überrascht und schmerzerfüllt, aber ungeachtet ihrer Einwände, die in einer hohen Tonlage vorgebracht wurden, trug ich sie in die ausgeplünderte Schatzkammer, die zu betreten ich sie noch niemals bemüht und von deren Schätzen ich ihr nichts verraten hatte. Ich setzte sie, immer noch gefesselt, in einer Ecke des Raumes nieder und verbrachte die beiden nächsten Tage und Nächte damit, Ziegelsteine und Mörtel herbeizuschaffen, und am Morgen des dritten Tages hatte ich sie vom Boden bis zur Decke sicher eingemauert. Während all dieser Zeit schenkte ich ihren Bitten um Gnade nur insoweit Beachtung, als ich auf ihr Versprechen hin, keinen Widerstand zu leisten - das sie, wie ich verpflichtet bin zu bestätigen, auch ehrenhaft einhielt -, ihr die freie Bewegung ihrer Gliedmaßen gewährte. Sie konnte über einen Raum von etwa vier mal sechs Fuß verfügen. Als ich die letzten Ziegel der obersten Lage einsetzte, die an die Decke der Schatzkammer anschlossen, bot sie mir in dem Ton, den ich für die Selbstbeherrschung der Hoffnungslosigkeit hielt, Lebewohl.  - Ambrose Bierce, Der Witwer Turmore. In: A.B., Mein Lieblingsmord. Frankfurt am Main 1974 (it 39)

Schatzkammer (2)  Ginnistans Freude war ganz unbeschreiblich, als ihr der König den Schlüssel zur Schatzkammer und die Erlaubniß gab, ein Schauspiel für Eros darin zu veranstalten, das ihn so lange unterhalten könnte, bis das Zeichen des Aufbruchs gegeben würde. Die Schatzkammer war ein großer Garten, dessen Mannichfaltigkeit und Reichthum alle Beschreibung übertraf. Zwischen den ungeheuren Wetterbäumen lagen unzählige Luftschlösser von überraschender Bauart, eins immer köstlicher, als das Andere. Große Heerden von Schäfchen, mit silberweißer, goldner und rosenfarbner Wolle irrten umher, und die sonderbarsten Thiere belebten den Hayn. Merkwürdige Bilder standen hie und da, und die festlichen Aufzüge, die seltsamen Wagen, die überall zum Vorschein kamen, beschäftigten die Aufmerksamkeit unaufhörlich. Die Beete standen voll der buntesten Blumen. Die Gebäude waren gehäuft voll von Waffen aller Art, voll der schönsten Teppiche, Tapeten, Vorhänge, Trinkgeschirre und aller Arten von Geräthen und Werkzeugen, in unübersehlichen Reihen. Auf einer Anhöhe erblickten sie ein romantisches Land, das mit Städten und Burgen, mit Tempeln und Begräbnissen übersäet war, und alle Anmuth bewohnter Ebenen mit den furchtbaren Reizen der Einöde und schroffer Felsengegenden vereinigte. Die schönsten Farben waren in den glücklichsten Mischungen. Die Bergspitzen glänzten wie Lustfeuer in ihren Eis- und Schneehüllen. Die Ebene lachte im frischesten Grün. Die Ferne schmückte sich mit allen Veränderungen von Blau, und aus der Dunkelheit des Meeres wehten unzählige bunte Wimpel von zahlreichen Flotten. Hier sah man einen Schiffbruch lrn Hintergrunde, und vorne ein ländliches fröliches Mahl von Landleuten; dort den schrecklich schönen Ausbruch eines Vulkans, die Verwüstungen des Erdbebens, und im Vordergrunde ein liebendes Paar unter schattenden Bäumen in den süßesten Liebkosungen, abwärts eine fürchterliche Schlacht, und unter ihr ein Theater voll der lächerlichsten Masken. Nach einer anderen Seite im Vordergrunde einen jugendlichen Leichnam auf der Baare, die ein trostloser Geliebter festhielt, und die weinenden Eltern daneben; im Hintergrunde eine liebliche Mutter mit dem Kinde an der Brust und Engel sitzend zu ihren Füßen, und aus den Zweigen über ihrem Haupte herunterblickend. Die Szenen verwandelten sich unaufhörlich, und flossen endlich in eine große geheimnißvolle Vorstellung zusammen. Himmel und Erde waren in vollem Aufruhr. Alle Schrecken waren losgebrochen. Eine gewattige Stimme rief zu den Waffen. Ein entsetzliches Heer von Todtengerippen, mit schwarzen Fahnen, kam wie ein Sturm von dunkeln Bergen herunter, und griff das Leben an, das mit seinen jugendlichen Schaaren in der hellen Ebene in muntern Festen begriffen war, und sich keines Angriffs versah. Es entstand ein entsetzliches Getümmel, die Erde zitterte; der Sturm brauste, und die Nacht ward von fürchterlichen Meteoren erleuchtet. Mit unerhörten Grausamkeiten zerriß das Heer der Gespenster die zarten Glieder der Lebendigen. Ein Scheiterhaufen thürmte sich empor, und unter dem grausenvollsten Geheul wurden die Kinder des Lebens von den Flammen verzehrt. Plötzlich brach aus dem dunklen Aschenhaufen ein milchblaue Strom nach allen Seiten aus. Die Gespenster wollten die Flucht ergreifen, aber die Flut wuchs zusehends, und verschlang die scheusliche Brut. - Novalis, Heinrich von Ofterdingen (Klingsohrs Märchen)

Besitz Keller Schatz

 

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