chattenwelt Viele
Schizophrene verbringen die meiste Zeit weder auf Erden noch im Himmel noch
in der Hölle, sondern in einer grauen, schattenhaften Welt von Phantomen und
Unwirklichkeiten. Was auf diese Psychopathen zutrifft, trifft in geringerem
Maß auch auf bestimmte Neurotiker zu, die an einer milderen Form von Geisteskrankheit
leiden. In jüngster Zeit hat man eine Möglichkeit gefunden, diesen Zustand einer
geisterhaften Existenz durch Verabreichung kleiner Mengen eines der Derivate
des Adrenalins herbeizuführen. Den Lebenden werden so die Pforten des Himmels,
der Hölle und der Vorhölle nicht durch »wuchtig Schlüssel aus Metallen zween«
geöffnet, sondern dadurch, daß man dem Blut eine Gruppe chemischer Verbindungen
zuführt und ihm andere entzieht.
Die von einigen Schizophrenen und Neurotikern
bewohnte Schattenwelt hat große Ähnlichkeit mit der Welt der Toten, die in einigen
der frühen religiösen Überlieferungen beschrieben wird, Wie die Schemen im Scheol
der Juden und in Homers Hades haben diese
Geistesgestörten die Fühlung mit der Materie, der Sprache und ihren Mitmenschen
verloren. Sie finden keinen Halt im Leben und sind zu Tatenlosigkeit und zu
einer großen Stille verdammt, die nur von sinnlosem Geschnatter und Kauderwelsch
von Geistern unterbrochen wird. - Aldous Huxley, Anhang zu: Himmel
und Hölle. München 1989 (zuerst 1956)
Schattenwelt (2) Der Nebel der grauen Herbst- und
Wintertage, der sich verwaschen dreinsenkte über seine Gänge zum Rathaus und
zurück, lag bald für immer über der Stadt... und sie verlor sich für ihn in
diesem Dämmer. In dem drückenden Dunstlicht erkannte er bald nur noch Schatten,
die sich begegneten, oder deren Wege sich nur kreuzten, die einander über die
Schulter zunickten, die konspirative Handberührungen austauschten, wenn sie
aus den Türen kamen, in die Türen hineingingen, und sich unter schlecht gespielten
Hustenanfällen verstohlene Worte zuwarfen. Einer dieser Schatten war er selbst,
bald wußte er nicht mehr, welcher Schatten ,.. welcher ins Rathaus gegangen
war, um dort zu plaudern, welcher aus dem Rathaus zurückkam, ärgerlich von Sätzen,
über die dort geplaudert worden war ... und er war ärgerlich über seinen im
Rathaus zurückgebliebenen Schatten, der dort plaudernd saß ... -
(ich)