Fchattenmann

 

- Nicole Claveloux, Illustr. zu Confessions d'un monte-en-l'air

Schattenmann (2)

Schattenmann (3)

- N. N.

Schattenmann (4) Ich machte mich beizeiten davon, ich hatte mich zu diesem Zweck schon in der Nähe der Tür aufgehalten; dann murmelte ich, mir sei ein wenig übel geworden - was aber nicht an dem Gehörten liege! - und verschwand auf die Straße. Dort klemmte ich mich in einen Winkel und wartete auf die Studentin: ich wollte sehen, ob sie mit ihm fortging, oder sich allein auf den Weg zum Bahnhof machte. Meist war Letzteres der Fäll, ich folgte ihr, beharrlich, in gleichbleibender Entfernung (die Rolle des verzweifelten Liebhabers war eine Glanzrolle, die jeder Mitarbeiter, der etwasauf sich hielt, perfekt beherrschte!)... ich hatte schon ihr Schrittmaß angenommen, das fest und sicher war, und dabei schienen Festigkeit und Sicherheit im gleichen Maß auch in mir zusammenzufließen . .. und so gingen wir im Gleichschritt voran, bis sie in einen Bahnhof der Stadtbahn eintauchte und mich verließ. - Zielperson an der U-Bahn Rosa-Luxemburg-Platz aus der Observation entlassen, notierte ich mir; ich trug einen winzigen Taschenkalender bei mir, in welchem schon etwa zwanzig ähnliche Sätze standen ... meist stand dort Grenzübergangsstelle Bahnhof Friedrichstiaße.

Und dann trieb ich mich noch auf dem Bahnhofsvorplatz herum und wußte, daß es Wahnsinn war, was ich tat: ohne Auftrag stieg ich einer jungen Frau aus Westberlin hinterher... ich hatte mich vollkommen in ihren Schatten verwandelt, und meinen Schatten hatte ich dabei verloren ... alles in der dünnen Hoffnung, man werde mir eines Tages die Genehmigung erteilen, sie drüben im Westen weiter zu beschatten. Es leuchtete mir ein, daß es Wahnsinn war ... es war ein Vorspiel ohne Folgen, eine Verfolgung ohne Folgen, und daß ich mir dies sagen konnte, blieb ebenso ohne Folgen. Und in meinem Sessel im Keller beendete ich das Vorspiel mit der Hand, dabei teils an sie, teils an Frau Falbe denkend... und wußte doch, daß ich nur ein Schatten bleiben konnte, der Schattenmann der Studentin. - (ich)

Schattenmann (5) Schon während jenes ersten abendlichen Besuchs, von dem er sich noch ein ungefähres Bild machen konnte, hatten sie eigentlich nicht mit ihm verhandelt, sondern mit einer Phantasiefigur, mit einer Vorstellung, die sie sich von ihm in ihren Köpfen zurechtgelegt hatten. Der lange Mensch am Türrahmen, hatte der nicht allzu deutlich über ihn hinweggesprochen ... ins Leere? Nicht ins Leere, er hatte sich mit seinen Worten an einen Geist gewendet, der unsichtbar für W. der Wand hinter ihm entstiegen war ... der Lange hatte mit einer Gestalt gesprochen, die W.s Schatten im Hintergrund ausfüllte. Dieser Schatten war eine Projektion ... und doch war er vollkommen aus seinem Wesen gemacht: aus Gedanken, die er noch nicht in seinem Kopf entdeckt hatte, aus Nerven, die er bislang noch nicht benötigt hatte, aus Empfindungen, die er in sich noch nicht erlebt gefunden hatte ... und vielleicht stand dieser Projektion eine Sprache zur Verfügung, die er noch nicht gesprochen, die aber auf Abruf in ihm verweilt hatte. Und er wußte, daß er sie würde verstehen können, wenn er sich erst auf sie einließ.

Sie hatten ihn also völlig übergangen mit ihren Sätzen, die aus verschiedenen Seiten in seine Richtung gesprochen waren; das, was er bis zu diesem Abend gewesen war, hatten sie außer acht gelassen, sie hatten ihn nur als zwischengeschaltetes Medium benutzt für ihre Gedanken einerseits und für ihre Gedanken andererseits, und sie hatten dabei eine Struktur in ihm angesprochen - und zum Leben erweckt -, von deren Existenz sie nur eine rein theoretische Ahnung gehabt haben konnten ... vielleicht gab es diese Struktur in jedem Menschen, oder in jedem Menschen einer bestimmten Charaktergruppe, zu der W. gehörte? - (ich)

Schattenmann (6)  »Der Señor ist ein Einheimischer?« flüsterte mit neugieriger Schüchternheit Marcelo N. Frogman, alias Coliqueo Frogman, alias Nasser Hund Frogman, alias Atkinson Frogman, Redakteur, Drucker und Austräger des monatlichen Bulletins El Malón. Er suchte sich die Nordwestecke der Zelle 273 aus, hockte sich nieder, zog aus der Tiefe seiner Gauchohose ein Stück Zuckerrohr und begann es geräuschvoll zu lutschen. Parodi betrachtete ihn mißmutig. Der Eindringling war blond, schwabblig, klein, kahlköpfig, sommersprossig, runzlig, übelriechend und lächelte. »In diesem Fall«, fuhr Frogman fort, »werde ich auf meine chronische Freimütigkeit zurückgreifen. Ich gestehe Ihnen, daß ich Ausländer nicht ertragen kann, nicht einmal die Katalanen. Klar, daß ich mich zur Zeit im Hinterhalt, im Schatten bewege, und sogar in meinen Kampfartikeln, in denen ich die Dinge furchtlos beim Namen nenne, wechsle ich geschickt meine Pseudonyme, indem ich von * Coliqueo zu Pincén und von Catriel zu Calfucurá übergehe. Ich halte mich in den engen Grenzen der Vorsicht, aber an dem Tag, an dem die Phalanx zusammenbricht, werde ich vor Freude tanzen, das schwör ich Ihnen. Diesen Beschluß habe ich in den vier Wänden des Zentralsitzes der A. A. A., der »Argentinischen Aborigenisten-Assoziation«, Sie wissen schon, bekanntgegeben, wo wir Indios uns hinter verschlossener Tür zu versammeln pflegen, um die Unabhängigkeit Amerikas zu planen.« 

* Indiohäuptlinge in den argentinischen Indiokriegen um 1870

-  B. Suárez Lynch, Ein Modell fürden Tod.  In: Jorge Luis Borges, Adolfo Bioy Casares: Mord nach Modell. Frankfirt am Main 1993

 

Schatten Mann

 

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