chamanensprache Wie
der Schamane in der Ergriffenheit der Trance sich selbst
mit seinem Schauen und Wirken über die natürlichen
Grenzen räumlicher und zeitlicher Beschränktheit hinaussteigert, so strömen
ihm auch seine Worte zu einer Dichtung immer neu sich aus sich selbst vergrößernder
Bilder. Selten treten fest gezeichnete Gestalten in den Blick, die Konturen
der Gegenstände zerreißen, fügen sich zu neuen Dingen, deren statische Qualität
bedeutungslos wird, auf deren dynamisches Leben nur sich die menschliche Erwartung
richtet. Der Gegenstand, den der Schamane besingt und der im Mittelpunkt des
ganzen Ritus steht, oszilliert um die statischen Werte Trommel,
Pferd und Vogel. Die greifbar
vorliegende, dingliche Trommel weitet ihr Wesen. Sie ist eine Trommel, wenn
es gilt, Rhythmen zu erzeugen. Sie wird ein Roß, wenn es gilt, in die Unterwelt
zu stürmen. Sie wird ein Vogel, wenn es gilt, durch den Himmel zu fliegen. Die
Eindeutigkeit des Dinges löst sich auf in eine dynamische
Vielfalt möglicher Funktionen, die sich im hymnischen
Schwung gesteigerten Gefühls zu suggestiven Bildern formen,
zu Bildern, die gleichzeitig Chiffren für Erkanntes und Hilfen des Erkennens
sind. - Alfred Stolz, Schamanen. Ekstase und Jenseitssymbolik. Köln
1988 (dumont Taschenbücher 210)
Schamanensprache (2)
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