chändlich. Ich lese lieber verruchte Bücher als schändliche, möchte die verruchte Tat eher anerkennen als die schändliche, den Mord eher als den Verrat. Als schändlich habe ich merkwürdigerweise schon sehr früh die bekannten Passagen empfunden, in welche der Verfasser des »Contrat social« die ahnungslosen Herzen lockt, und ich meine, jene erste Schwalbe, von der Sainte-Beuve spricht, leitet einen trüben Sommer ein. Es hat mich immer erstaunt, daß junge Leute oft schon so sicher in der Ablehnung komplizierter Erscheinungen sind, längst vor dem Abschluß eines festeren Bewußtseins — aber schließlich geht ja der Geschmack dem Urteil voran.
Das, was schändlich ist und worüber die Meinungen unendlich verschieden sind, habe ich eigentlich früher, wie mir scheinen will, durch den Geschmack viel schneller und sicherer festgestellt, als ich es mir heute klarmachen könnte. Freilich hat man auch beim Trinken sehr schnell heraus, daß das Getränk unzuträglich ist, während diese Abneigung durch die nachträgliche chemische Analyse erst viel später gerechtfertigt wird.
Ich wette, der wahre Freund der Bücher, der verläßliche
und unsichtbare Begleiter des Dichters, der es nicht verlernt hat, mit
jener Wildheit aufzunehmen, deren man mit sechzehn Jahren fähig ist,
wird das körperliche Gefühl kennen, mit dem das Herz das ablehnt, was
ihm zuwider ist. Ist
ihm nicht jener Augenblick vertraut, in dem man ein Buch bei ganz
bestimmten Stellen plötzlich beiseite legt mit dem Gefühl, nicht
weiterlesen zu können, ehe man Atem geholt, ehe man sich irgendwie
gesammelt hat? mit dem Gefühl, das sich unmittelbar an den Autor wendet:
»Dies, dieses Peinliche, diese Demütigung hättest du mir nicht antun
dürfen«?
- (
ej
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