Schäferstündchen  Wann immer Lucette ohne Aufsicht ihrer schizophrenen Gouvernante war, wann immer man ihr nicht vorlas, mit ihr spazierenging oder sie zu Bett brachte, wurde sie zur Pest. Bei Einbruch der Nacht - falls nicht Marina in der Nähe war und, sagen wir, mit ihren Gästen unter den goldenen Globen der neuen Gartenlampen, die hier und dort im plötzlichen Grün erglühten und ihren Kerosin-Geruch mit dem Atem von Heliotrop und Jasmin mischten, pokulierte - konnten die Liebenden sich in die tiefere Dunkelheit hinausstehlen und dort bleiben, bis die nocturna - eine scharfe mitternächtliche Brise - kam und das Blattwerk zerwühlte «troussant la raimée», wie Sore, der zotige Nachtwächter, es ausdrückt. Einmal war er mit seiner smaragdgrünen Laterne über sie gestolpert, und mehrere Male war eine Phantom-Blanche an ihnen vorbeigekrochen, leise lachend, um sich in irgendeinem bescheidenen Winkel mit dem robusten und zuverlässig bestochenen alten Glühwurm zu paaren. Aber den ganzen Tag auf eine günstige Nacht zu warten, war zuviel für unsere ungeduldigen Liebenden. Meist hatten sie sich schon lange vor dem Abendessen erschöpft, genau wie damals; Lucette jedoch schien hinter jedem Wandschirm zu lauern, aus jedem Spiegel zu spähen.

Sie probierten den Dachboden, bemerkten aber gerade noch rechtzeitig einen Spalt zwischen den Dielen, durch den man eine Ecke der Waschküche erkennen konnte, wo French, das zweite Mädchen, in ihrem Korsett und Unterrock hin und her lief. Sie blickten umher - und konnten nicht begreifen, wie es ihnen je möglich gewesen war, sich zwischen zersplitterten Kisten und herausragenden Nägeln zärtlich zu lieben oder durch das Oberlicht aufs Dach zu winden, das jeder grüne Kobold mit kupfernen Gliedern leicht von einer Astgabel der riesigen Ulme aus überwachen konnte.

Da war immer noch der Schieß-Pavillon mit seiner orientalisch behängten Nische unter dem heruntergezogenen Dach. Aber nun krabbelte es dort von Wanzen, stank nach schalem Bier und war so schmutzig und schmierig, daß man nicht einmal davon träumen konnte, sich dort auszuziehen oder den kleinen Divan zu benutzen. Alles, was Van dort von seiner neuen Ada sah, waren ihre elfenbeinernen Schenkel und Hüften, und als er sie das allererste Mal umfaßte, hieß sie ihn mitten in seiner ungestümen Freude über ihre Schultern und über das Fenstersims blicken, woran sich ihre Hände im verebbenden Beben ihrer Reaktion noch klammerten, und zur Kenntnis nehmen, daß Lucette sich nähere - tauspringend, entlang eines Pfades im Gesträuch.   - (ada)

 

Liebe Stunde

 

  Oberbegriffe
zurück 

.. im Thesaurus ...

weiter im Text 
Unterbegriffe

 

Verwandte Begriffe
Synonyme