arghändler Ohne
daß ich es gemerkt hatte, war er aus dem Laden herausgetreten; die kleine Tür
bewegte sich noch; sie lag etwas tiefer als der Fußsteig. Hatte er mich, verborgen
hinter den großen Blättern, vom Innern aus erspäht? Das könnte sein. Ich dachte
nicht daran, zu schreien, denn erstens war meine Verzweiflung so tief, daß ich
vor nichts auf der Welt mehr Angst hatte, und zweitens kam der Mann mir nicht
eben furchterregend vor. Pedro Virgula, der Sarghändler, war mir bekannt, wenigstens
von Ansehen, wie allen Bewohnern und den meisten Stammgästen dieses Viertels;
er bedachte die Vorübergehenden immer mit blumigen Komplimenten. Er war eher
alt als jung, aber flink und munter, hatte einen niederhängenden Schnurrbart,
einen dicklippigen Mund und kleine Augen mit undurchsichtigem Blick unter Brauen,
die zu dünn waren, als daß ihre Zeichnung hätte natürlich sein können. Seine
nackten Füße steckten in Pantoffeln; er trug ein dunkles Hemd, das über einer
breit geschnittenen, an den Fußgelenken engen Hose herausquoll. Und er wiegte
sich in einem fort wie ein Zirkusaffe. »Hübsche Frauen haben stets die Nase
an der Schaufensterscheibe der Modegeschäfte«, sagte er zu mir. »Das kann auch
nicht anders sein: sich anziehen, sich ausziehen, sich wieder anziehen, sich
wieder ausziehen und so weiter, darin besteht euer Lebensinhalt, alles, was
man als euern Beruf bezeichnen könnte. Die Kleider sind für die Frau erschaffen
wie die Frau für die Kleider. Aber die meinen muß man aus der Nähe betrachten,
du Hübsche: es sind tatsächlich Kleider nach der letzten Mode, Kleider, die
niemals an den Tag gebunden sind ... Man muß von der andern Seite kommen und
die ganze Auswahl anschauen, das kostet nichts, du Schöne.«
Ohne mich loszulassen, schob er mich durch die Türöffnung,
schloß hinter mir ab und steckte den Schlüssel in die Tasche. - André Pieyre de Mandiargues, Der
Akt zwischen den Särgen.
In: A.P.M., Schwelende Glut. Frankfurt am Main 1995 (st 2466, Phantastische
Bibliothek 323, zuerst 1959)
Sarghändler (2) An einem Dienstag machte Herr Lindiger seinen Leiden ein Ende. Am Mittwoch fand ihn der Gendarm, der beauftragt worden war, den Fall des überfallenen Bezirksarztes zu untersuchen, an einem Nagel neben der Türe erhängt. Merkwürdigerweise zeigte sein Gesicht einen heiteren Ausdruck, was durch folgende, unter der Leiche angebrachte Inschrift verständlich wurde:
>Und doch werde ich einen Sarg los!<
Nachträglich wurde festgestellt, daß sich auf seinem Schreibtisch ein unvollendeter Brief befand, in dem er beim bakteriologischen Institut in Wien zwanzig Retorten mit Flecktyphuskeimen bestellte.
Er war in der Tat ein rühriger Geschäftsmann.
- Das Hašek-Lesebuch. Hg. Daniel Keel und Daniel Kampa. Zürich 2008
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