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Sahara (2) Die Haustür war dreifach verschlossen.
Die Kinder spielten irgendwo in einem Wäldchen; es war so heiß. Die Sonne und
Fräulein Zéline waren ganz allein einander gegenüber.
Wie ein großes purpurgoldenes Untier nahm die Sonne sie ganz in ihre Fänge und
bis unter ihre Flügel aus Feuer; Fräulein Zéline aber hatte sie kommen sehen;
erst bildete sie einen kleinen roten Punkt vor ihren Augen, dort etwa, wo das
Hoftor lag; Fräulein Zéline entsetzte sich davor
und versuchte gegen die Mauer, näher an den wilden Rosenstock, zurückzuweichen.
Aber der kleine rote Punkt wurde größer und größer, fiel über sie her. Sie fühlte,
wie ihr Leib brannte, vor allem an den Händen und im Gesicht, die unbedeckt
waren. Sie stand auf; sie begann um die Hölle im Kreise zu laufen, die Mauern
sich entlangtastend, um ihr zu entrinnen, als eine arme Nacht, in der es glühte
und funkelte. Aber die Sonne folgte Fräulein Zéline überallhin, und diese stieß
dann zum Schluß an einet ganz bestimmten Stelle ihres Denkens regelmäßig auf
ihren Vater, den Meharisten. Und nun war Fräulein Zéline noch einmal, obwohl
sie doch den höllischen Zirkel vergeblich durchlaufen hatte, ganz glücklich:
zwischen den Feuerkugeln des Cherubs nahm sie ihren unvordenklichen Platz auf
der Holzbank hinten im Hofe wieder ein, den sie, um ihn ein wenig zu vergrößern
und um ihn lieben zu können, ihre «Sahara» getauft hatte. - Marcel Jouhandeau, Fräulein
Zéline oder Gottes Glück zum Gebrauch eines alten Fräuleins. In: M. J., Chaminadour. Reinbek bei Hamburg 1964
Sahara (3) Ich habe die Sahara von jeher geliebt.
Ich habe manche Nacht im Aufruhrgebiet zugebracht und war schon öfters in dieser
blonden Weite erwacht, der der Wind ihre Dünung gegeben hat wie dem Meer. Ich
hatte schon früher, unter dem Flügel meiner Maschine schlafend, auf Hilfe gewartet.
Aber so war es noch nie gewesen. Wir gingen an den Hängen geschlängelter Hügelreihen
hin. Der Boden war völlig mit einer Schicht glänzender schwarzer Kiesel bedeckt,
die wie Metallschuppen aussahen. Alle Hügelkuppen rundum blitzten wie Harnische.
Wir waren nicht nur in eine steinerne Welt geraten; wir waren in einer eisernen
Landschaft gefangen. - Antoine de Saint-Exupéry, Wind, Sand und Sterne.
Düsseldorf 1976 (zuerst 1939)
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