äufer  »Hören Sie, Mr. Pavlov, hören Sie«, sagte ich. »Ich werde tun, was immer Sie sagen. Wenn Sie mir das Geld für den Friseur geben - oder für ein Laken und Sandalen -, zusammen mit dem Geld für das Essen, werde ich...«

»Ich werde dir einen Dreck geben«, sagte Mister Pavlov. »Ich nehme dich mit in ein Restaurant und bezahle deine Rechnung selbst.«

Ich protestierte, das sei unfair. Es sei doch abgemacht, daß ich das Geld für Alkohol ausgeben könnte. Er grunzte, sah mich mit nachdenklichen Augen, die zu Schlitzen geworden waren, an.

»Sei mal einen Moment ruhig«, sagte er. »Gott verdammt noch mal. Wenn ich dir noch einen Drink gebe, läßt du mich dann in Ruhe nachdenken?«

»Hören Sie zu, Mr. Pavlov«, sagte ich. »Für einen zweiten Drink würde ich - würde ich...«

Ich brach hilflos ab. Was würde man nicht tun, wenn man langsam ans Kreuz geschlagen wird?

Ich riß ihm das volle Glas aus der Hand. Ich trank es in einem Zug aus und sah, daß er die Flasche vor sich auf dem Tisch stehengelassen hatte.

»Nee, nee«, sagte er, als ich ihm mein Glas wieder hinhielt. »Jedenfalls nicht jetzt. Ich habe dir was zu sagen, und ich möchte verdammt noch mal sicher sein, daß du es verstehst.«

»Hören Sie zu«, sagte ich. »Ich kann sehr viel besser verstehen, wenn ich trinke. Je mehr ich trinke, desto mehr verstehe ich.«

»Halt den Mund!« Seine Stimme klang wie ein Peitschenhieb. »Also, folgendes wollte ich dir sagen, und du wirst es auf keinen Fall jemandem erzählen, klar? Sag nie jemand anderem auch nur ein Sterbenswörtchen. Nehmen wir einmal an, daß ich dir was gebe. Es zulasse, daß du mir was wegnimmst. Niemand würde wissen, daß du es genommen hast, aber - Gott verdammt noch mal, hörst du mir auch zu?«

»Sicher, sicher, ja, Sir«, sagte ich. »Wenn Sie sich einen Drink einschenken wollen, Mr. Pavlov, würde ich auch einen nehmen.«

»Verdammt noch mal«, sagte er. »Das hier ist wichtig für dich. Du kannst 'ne Menge Kleingeld dabei abstauben, und alles, was du zu tun hast, ist...« Er brach mit einem verächtlichen Grunzen ab. »Zum Teufel! Ich muß langsam verrückt werden, um überhaupt daran zu denken.«

»Sie scheinen sehr deprimiert zu sein, Mr. Pavlov«, sagte ich. »Erlauben Sie mir, Ihnen einen Drink einzuschütten.«

»Schutt dir selbst was ein«, fauchte er, überraschend naiv. »Dann verschwindest du hier sofort und gehst in ein Restaurant.«

Es war eine Literflasche, und sie war noch so gut wie voll.

Ich griff sie mir und rannte los.

Natürlich verabscheute ich, was ich da tat. Es war nicht nur undankbar, es war auch kurzsichtig. Indem ich das goldene Ei aß - ich meine es natürlich im übertragenen Sinn -, brachte ich mich um die Henne der Zukunft. Ich tat es, weil ich einfach nicht anders konnte. Es war wieder mal ein Fall, in dem ich nichts anderes tun konnte.

Wenn ein Mann ertrinkt, greift er nach Flaschen.   - (thom)

Säufer ⁽²⁾  Ich erhielt null Komma null Kopeken, vierzig Rubel Alimente, mußte dazuverdienen, ich beantwortete Zuschriften an die Zeitschriftenredaktion, ein gewisser Burkin hatte mich dort untergebracht, ein gutmütiger Trinker mit Schnurrbart, zitternden Händen und aufgedunsenen Wangen, so daß man stets glaubte, er hätte Zahnschmerzen. «Das ist bei mir immer so!» entgegnete er mir auf eine mitleidige Bemerkung, daß auch ich Zahnärzte und Bohrer nicht ausstehen könne, doch wenn man auf beiden Seiten einen schlimmen Zahn habe, dann müsse man hin, sonst könnte alles Mögliche daraus entstehen. Ein Brief - ein Rubel, sechzig Briefe im Monat. Pro Jahr wurden zwei Gedichte von mir abgedruckt, zum Frauentag, das Honorar achtzehn Rubel zusammen.   - Ljudmila Petruschewskaja, Meine Zeit ist die Nacht. Aufzeichnungen auf der Tischkante.  Berlin 1991 (zuerst 1990)

Säufer ^{(3. altrömischer)}  Was das Meer, Land, Flüsse und Seen auch hergeben, dem Nimmersatt ist's nicht genug. Und gekrönt wird das Ganze durch zügelloses Trinken, wie es allerorts eingerissen ist. Sie strömen in die Tavernen, als seien sie allein zum Essen und Trinken auf die Welt gekommen wie der berühmte römische Parasit Offellius Bibulus, der, solange er lebte, entweder trank oder harnte.  - (bur)