äue,
hitzige
Haakon stellte sich nicht weit von mir gegen eine Mauer und ließ
sein Wasser. Ich fand es sehr selbstverständlich, daß er es in meiner Gegenwart
tat, schämte mich aber für mich, das gleiche zu tun. Ich lief fort zu den Dunggraben
und verrichtete dort, ungesehen, mein Bedürfnis. Als ich zurückkam, fand ich
ihn nicht sogleich. Er war in den Ställen. Die Mamsell war auch dort. Sie zeigte
auf eine rotbuntfleckige Kuh. »Diese da«, sagte sie. Es war ein Todesurteil.
Ich war sehr verwundert, daß es mich nicht tiefer erschütterte. Ich schaute
auf Haakons Gesicht. Es blieb ruhig und schön. Er hatte mit dem Kopfe genickt.
Wir gingen in den Schweinestall. In einem Koben lag schlafend eine der zwei
Säue, die geschlachtet werden sollten. Von der schlafenden sagte Eystina: »Sie
ist belegt worden vor einem Monat. Sie war hitzig und wollte nicht fressen.
Sie magerte ab. Um nicht zu großen Schaden zu leiden, haben wir sie zum Eber
gegeben. Ihr könnt einmal nachzählen, wie viele Ferkel es geworden wären.« Mir
wurde ein wenig ängstlich und beklommen. Ich blickte auf Haakon. Sein Antlitz
blieb unverändert. Er hatte mit dem Kopfe genickt. Die Mamsell wandte sich sehr
schnell zu einem anderen Koben. »Hier ist die zweite«, sagte sie, »es ist gersde
die rechte Zeit. Sie ist vorgestern hitzig geworden und hat bis jetzt gefressen.«
Ich verspürte eine Qual, die halb wollüstig war. Ich blickte beschämt und trostsuchend
auf Haakon. Sein Antlitz w,ar unverändert, nur rosig angehaucht vom Schein der
Morgenröte, die durch die blinden Scheiben drang. Er nickte mit dem Kopf und
zeichnete an die Kobentür ein Kreidekreuz und wandte sich und tat eins an die
erste auch. Der Schlachter, der sein Onkel war, wurde in der Stalltür erblickt.
Er rief: »Wir nehmen die Schweine zuerst. Es ist schnellere Arbeit.« - Hans Henny Jahnn, Perrudja. Frankfurt am Main
1966 (zuerst 1929)
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