Sätze, erträgliche   Nehmen wir nur den einfachsten aller Sätze, «Ich bin», und schreien wir ihn oder flüstern wir ihn kaum hörbar, versuchen wir dabei aber, ihn uns  ganz  bewußtzumachen: Welche  Demütigung, welche Schande! Allerdings steckt hierin auch ein wenig Bösartigkeit, denn der einfachste aller Sätze ist auch der kompromittierendste. Also einen harmloseren, wenn es überhaupt einen harmlosen Satz gibt: «Ich habe»? Noch schlimmer! «Ich esse»? Wie ekelhaft! Sätze, die das verhaßte Pronomen enthalten, können anscheinend gar nicht harmlos sein. Nehmen wir also solche mit anderen Pronomina, aufs Geratewohl: Die Wirkung ist gleichermaßen erbärmlich. Oder ganz ohne Pronomen? Doch es ist immer das Verb da, heimtückisch und giftig. Und ohne Verb? Aber solche Satze gibt es nicht, und versucht einmal zu sagen oder zu schreien: «Die Gebirge!» oder: «Gebirge!» (Aber hier ist immer noch die verhängnisvolle Wirkung des Verbs zu spüren, das präsent ist, wenngleich unsichtbar.) Ohne Prädikatsnomen, wo dieses erforderlich wäre? Das ist es vielleicht. «Du bist»: Schrecklich! Aber «Du bist. . .» (irgend etwas und man weiß noch nicht was): Das kann angehen. Die Sätze ohne Prädikat sind die einzig erträglichen -könnte also die generelle Formel lauten. (Und da haben wir wieder den alten Narren in Aktion.)

Jedenfalls, wenn man das brillante Geschwafel als gültig ausgibt, kann die Tatsache, daß nur die Sätze ohne Prädikat oder solche, die es in der Schwebe lassen, erträglich sind, verschiedene Bedeutungen haben, von denen wenigstens eine zufällig tröstlich ist: daß nämlich ein Satz in sich nicht notwendigerweise falsch sein muß, oder daß, wenn nicht ein Satz, dann ein Ausdruck, der Ausdruck, eines Tages mit Gottes Hilfe zu etwas führen könnte, das nicht falsch wäre, wie es der Ausgangspunkt beweist. Diese Hoffnung, wenn sie kein Sophismus ist (und leider sieht es ganz danach aus), könnte ihrerseits die Waffen erheben gegen jene schreckliche Sinnendeerung der Wörter selbst, gegen jene Art von Wahnsinn des Zweifels, des Seins, des Sagens, der den lexikalischen Elementen anhaftet und den, wie ich mir vorstelle, auch andere kennen.  - (land3)

Satz Erträglichkeit

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