achen,
schlimme Raoul, ich habe gestern gewusst was Du von mir wolltest,
ich nichts gegen Dich gehabt, ich habe Dich lieb gehabt. Aber wild konnte ich
nicht sein. Ich hatte da keine Leidenschaft. Nicht, dass ich zu stolz war zu
Dir zu kommen. (Abends war's anders.) Heute war's genau so wie gestern Nachmittag.
Ich weiss nicht - kommt das manchmal, weil ich von vorhergegangenen schlimmen
Dingen noch so müde bin, oder habe ich doch nicht Leidenschaft genug, überhaupt
nicht genug um Dich erleben zu dürfen. Ich quäle mich dann innerlich tot. Ich
bin Dir ganz nah, ich fühle Deine Wünsche und mein
Herz krampft sich vor Mitleid mit Dir (dann mache ich so etwas Schlimmes wie
das Ausziehen vorhin). Raoul, woran liegt es, bin ich zu wenig Weib, ich habe
nicht genug Leidenschaft, ich bin - erfriere
jedesmal aufs Neue nach so schlimmen Sachen und wenn dann
brauche ich länger zum auftauen. Raoul, schick mich für ein paar Tage weg, überleg
Dir, ob Du mir da helfen kannst und willst. - Hannah Höch an Raoul
Hausmann Mai 1916, nach: Scharfrichter der bürgerlichen Seele. Raoul Hausmann in Berlin
1900 - 1933. Hg. Eva Züchner. Berlin 1998
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