Rückwärtsgehen  Indem ich meine Inspektion wie ein Irrsinniger fortsetzte, erkannte ich mit einer Deutlichkeit, die keinen Zweifel erlaubte, in dem angrenzenden Park wen meinen Sie wohl? Watt persönlich, der rückwärtsgehend auf mich zu kam. Sein Rückwärtsgang war langsam und schlängelnd, wahrscheinlich, weil er keine Augen in seinem Hinterkopf hatte, und auch mühsam, nehme ich an, da er oft gegen Baumstümpfe stieß, oder sich mit dem Fuß im Gewirr des Gestrüpps verfing und auf den Boden fiel, platt auf den Rücken, oder in eine große Ansammlung von Brombeergesträuch oder von Heidekraut oder von Brennesseln oder von Disteln. Aber noch immer kam er ohne ein Murren näher, bis er sich an den Zaun lehnte, mit ausgestreckten Armen und den Draht ergreifenden Händen. Dann machte er kehrt, wahrscheinlich in der Absicht, so, wie er gekommen war, wieder zurückzugehen, und ich sah sein Gesicht und die ganze Vorderseite. Sein Gesicht war blutig, auch seine Hände, und Dornen steckten in seinem Haupt. (Seine Ähnlichkeit in jenem Augenblick mit dem Bosch zugeschriebenen Christus, der damals in der National Gallery hing, war so verblüffend, daß sie mir auffiel.) Und im selben Augenblick hatte ich plötzlich das Gefühl, vor einem großen Spiegel zu stehen, in dem mein Park zu sehen war und mein Zaun und ich, und die wahren, vom Wind hin- und hergestoßenen Vögel, so daß ich meine Hände betrachtete und mein Gesicht betastete und meinen glänzenden Schädel, mit ebenso echter wie ungerechtfertigter Sorge. (Denn wenn jemand, zu jener Zeit, wahrhaftig dem Bosch zugesprochenen Christus, der damals in der National Gallery hing, unähnlich genannt werden konnte, so war, ohne jede Schmeichelei, ich es.) Nanu, Watt, rief ich, das ist eine schöne Lage, in die du dich selber gebracht hast, wirklich. Wahr nicht, ja, antwortete Watt. Dieser kurze Satz bereitete mir, glaube ich, mehr Angst, mehr Pein, als wenn ich unvermutet, aus nächster Nähe eine Ladung Schrot in die Spalte gekriegt hätte. Dieser Eindruck wurde durch das Folgende verstärkt. Mir du ob, sagte Watt, kannst leihen Tuchtaschen ein wohl, wischen weg Blut.   - (wat)

Rückwärtsgehen (2)  Der Gedanke, rückwärts zu gehen, mag dem französischen Charakter fremd erscheinen und ohne jegliche Bedeutung sein. Beziehen wir uns hingegen auf die Zeit unseres größten militärischen Ruhms, so wird man feststellen, daß einige unserer Generäle des Empires dadurch unsterblich geworden sind, daß sie wohldurchdachte Rückzüge machten. Man wird die ganze Bedeutung, die man der Übung des Rückwärtsgangs beimessen muß, dann erfassen, wenn man bedenkt, daß man, je mehr man im Falle eines Rückzugs dem Feind ins Auge schaut, umso schneller bereit sein wird, den Augenblick für den Angriff zu nutzen.

Wäre er, unabhängig vom Nutzen, der darin bestünde, den Rückwärtsgang für Kriegszeiten zu verbessern, die jedoch zum Wohle der Menschheit nicht mehr vorkommen sollten, nicht auch in Friedenszeiten sehr nützlich? In der Tat, haben wir nicht Offiziere der in militärischen Aufmärschen wenig geübten Nationalgarde gesehen, die, an den Straßenbiegungen rückwärts gehend, um ihren Truppen die Befehle für dieses Manöver zu erteilen, mit dem Absatz gegen den Bürgersteig stoßen und nun, nachdem sie vergebliche Anstrengungen unternommen haben, sich aufrecht zu halten, das Gleichgewicht verlieren?  - N. N., Der Rückwärtsgang, in: Revolution im Marsch Oder fünfhundert natürliche und unfehlbare Methoden, um bei den verschiedenen Arten des Gehens den Komfort zu finden; sein Schuhwerk nach eigenem Willen abzunutzen; es nicht aus der Form zu bringen; Hühneraugen zu vermeiden; sich beim Gehen sowie beim Arbeiten nicht müde zu machen; auf glitschigen Wegen sicher zu gehen; sich nicht zu beschmutzen oder, wenn man sich bei einem Gewaltmarsch beschmutzt, den Schmutz auf angenehme Weise trocken zu entfernen, ohne Staub zu machen und ohne den Stoff zu beschädigen; durch das Gehen den Gang der Hinkenden berichtigen, einschließlich hygienischer Spiele und Übungen für kränkliche Menschen jeden Alters; die Sehkraft erhalten und ihr die Kraft geben, dem Sonnenlicht zu trotzen, ohne sie zu ermüden; schließlich mächtig zu ihrer Gesundheit, mäßig zu ihrer Heiterkeit und ein wenig zu ihrer Schönheit beizutragen, allein durch ihre eigene Bewegung. 1850. Nach (lim)

Rückwärtsgehen (3)  Wenn man rückwärts ginge . . . und immer weiter rückwärts und bei jedem Myriameter sagte: »Das zählt noch nicht!« würde man zuletzt auf Gott stoßen. Nach einer solchen Wanderung voll Gleichmut dürfte man reglos bleiben, und Gott würde den Flehenden nicht mehr verlassen. O Hajael! wenn man rückwärts ginge und rückwärts und rückwärts, Kilometer des Gleichmuts, träfe man endlich auf Seine Stätte und den Ort, wo er Himmel und Erde erschaffen hat.  - Max Jacob, Der Würfelbecher. Frankfurt am Main 1968 (zuerst 1917/23)
 

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