ückerstattung  MONSIEUR DE GARELLE:  Da Sie soeben gestanden, daß ich, dank Ihnen, eines jener lächerlichen Wesen war - immer verhöhnt, was sie auch tun, komisch, wenn sie schweigen, und noch alberner, wenn sie zornig werden -, die man betrogene Ehemänner nennt, und da es, Madame, doch unstreitig ist, daß die paar Schläge mit der Reitpeitsche nicht im entferntesten die Kränkung und den Ehekummer aufwiegen, die ich durch Sie erlitten habe, ist es nicht minder unstreitig, daß Sie mir eine ernstlichere und andersgeartete Wiedergutmachung schulden, jetzt, da ich nicht mehr Ihr Ehemann bin.

MADAME DE CHANTEVER: Sie sind nicht bei Troste. Was meinen Sie?

MONSIEUR DE GARELLE: Ich meine, Madame, daß Sie mir heute jene bezaubernden Stunden zurückgeben sollten, die Sie, als ich Ihr Gatte war, mir stahlen, um sie weiß ich wem zu schenken.

MADAME DE CHANTEVER: Sie sind verrückt.

MONSIEUR DE GARELLE: Mitnichten. Ihre Liebe gehörte mir, nicht wahr? Ihre Küsse schuldeten Sie mir, alle Ihre Küsse, ausnahmslos. Ist das richtig? Sie aber zweigten mir einen Teil davon zu eines anderen Gunsten ab! Nun kommt es darauf an, kommt es mir darauf an, daß eine Rückerstattung erfolgt, eine Rückerstattung ohne Skandal, hübsch heimlich, so wie man es bei beschämendem Diebstahl zu tun pflegt.

MADAME DE CHANTEVER: Wofür halten Sie mich?

MONSIEUR DE GARELLE: Für die Gattin von Monsieur de Chantever.

MADAME DE CHANTEVER: Das ist wirklich zu stark.

MONSIEUR DE GARELLE: Mit Verlaub, derjenige, der mich betrog, hielt Sie doch auch für die Gattin von Monsieur de Garelle? Es ist nur gerecht, daß jetzt ich an die Reihe komme. Zu stark ist hier nur die Weigerung, das rückzuerstatten, was man rechtmäßig schuldet.  - (nov)

Rückerstattung  (2)  Die Prinzessin wollte bis zum letzten liebenswürdig sein: «Ihr zwingt mich geradezu», sagte sie, «Euch mein letztes Geheimnis zu verraten, das mir bleibt und das immer verborgen blieb, gerade weil es das unwahrscheinlichste von allen ist. Ich weiß, daß ich in einigen Monaten, noch bevor der Winter vergeht, sterben werde, und ich bin nicht sicher, ob ich einen anderen Menschen finde, der so wie Ihr an absurden Geschehnissen interessiert ist. Dieses Geheimnis begann mit 22 Jahren. Ich war damals die hübscheste Prinzessin von Wien, und ich hatte meinen ersten Mann noch nicht getötet. Das geschah später, zwei Jahre darauf, als ich mich wiederum verliebte ... Aber Sie kennen diese Geschichte schon. Passons! — Es begann also am Ende meines 22. Lebensjahres. Ein alter Herr, herausgeputzt und bartlos, kündigte seinen Besuch an und bat mich, ihm nur für einige Minuten und ganz diskret Gehör zu schenken. Sobald wir alleine waren, erzählte er mir: ‹Ich habe eine Tochter, die ich über alles liebe. Sie ist sehr krank. Sie braucht dringend Lebenskraft und Stärke, und deshalb bin ich auf der Suche nach Jugendjahren, die ich kaufen oder aber entleihen möchte. Wenn Ihr mir eines Eurer Lebensjahre geben wollt, werde ich es Euch Stück um Stück zurückgeben, Tag um Tag, bevor Euer Leben endet. Wenn Ihr Euer 22. Lebensjahr vollendet, tretet Ihr also ins 24. Lebensjahr ein anstatt in das 23. Ihr seid noch sehr jung und werdet den Sprung dieses Jahres kaum merken, dennoch werde ich Euch 365 Tage bis zum letzten zurückzahlen, zwei oder drei auf einmal, und wenn Ihr alt seid, könnt Ihr nach Eurem Willen Stunden echter Jugendlichkeit zurückerhalten, unverhoffte Rückkehr von Gesundheit und Schönheit. Glaubt nicht, ich sei ein Spaßvogel oder ein Dämon. Ich bin lediglich ein armer Vater, der so viel zu Gott betete, daß ihm gewährt wurde, was für andere unmöglich ist. Mit viel Mühe habe ich schon drei Jahre gefunden, aber ich benötige noch viele mehr. Gebt mir eines eurer Lebensjahre, und Ihr werdet es nicht bereuen.›

Bis zu diesem Zeitpunkt war ich an seltsame Abenteuer gewöhnt, und in der Welt der Prinzen und Fürsten, in der ich lebte, wurde nichts als unmöglich angesehen. Also willigte ich in den einzigartigen Handel ein und wurde wenige Tage darauf um ein Jahr älter. Fast niemand bemerkte es, und bis zu meinem vierzigsten Lebensjahr lebte ich fröhlich mein Leben ... ohne auf das Jahr zurückzugreifen, das ich verliehen hatte und das mir zurückgegeben werden sollte.

Der alte Herr hatte mir Vertrag und Adresse übergeben und mich gebeten, ihn wenigstens einen Monat vorher zu benachrichtigen, falls ich einen Tag oder eine Woche meiner Jugendzeit zurückwünschen sollte, und hatte mir versichert, pünktlich das zurückzuerstatten, was ich verlangte. Nach meinem 40. Lebensjahr, als meine Schönheit langsam zu verblühen begann, zog ich mich in eines der wenigen Schlösser zurück, das meiner Familie verblieben war, und ließ mich nicht mehr als zwei bis drei Mal im Jahr in Wien blicken. Ich schrieb rechtzeitig meinem Schuldner, nahm dann an Hofbällen teil und begab mich in die Salons der Hauptstadt, so jung und schön, wie ich mit 23 Jahren gewesen wäre, und erregte damit das Erstaunen aller derer. die meine vergehende Schönheit bemerkt hatten. Wie sonderbar waren die Vorabende meiner Auftritte! Am Abend vorher schlief ich müde undfanee wie üblich ein, und den Morgen darauf erwachte ich fröhlich und leicht wie ein Vogel, der eben flügge geworden war, und eilte zum Spiegel. Jede Falte war geglättet, mein Körper war frisch und geschmeidig, mein Haar war wieder ganz blond geworden und meine Lippen rot, so rot, daß ich sie hätte leidenschaftlich küssen mögen. Meine Bewunderer in Wien drängten sich um mich, schrien auf vor Entzücken, sie klagten mich der Hexerei an; im Grunde verstanden sie nichts. Kaum aber liefen die Stunden der Jugendzeit ab, die ich erbeten hatte, stieg ich in meine Kutsche und kehrte in aller Eile ins Schloß zurück, wo ich niemand empfangen mochte. Einem jungen böhmischen Grafen, der während eines meiner Besuche in Wien stark Feuer gefangen hatte, gelang es, ich weiß nicht wie, in mein Appartement einzudringen, und wäre vor Staunen fast gestorben, als er die große Ähnlichkeit mit der Flamme erkannte, die ihn in den Straßen Wiens geblendet hatte, aber viel älter und häßlicher war als jene. - Giovanni Papini, Der nicht zurückerstattete Tag. In. G.P., Der Spiegel auf der Flucht (Spiegelfluchten). Stuttgart 1983. Die Bibliothek von Babel Bd. 19, Hg. Jorge Luis Borges

 

 

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