oulette,
orientalisches
»Der Kalif Harun al-Raschid«, beginnt die Geschichte,
»wird eines nachts von Schlaflosigkeit geplagt.
Er verkleidet sich als Kaufmann und geht hinaus auf die Straßen Bagdads. Eine
Barke bringt ihn über den Tigris zum Tor eines Gartens. Am Rand eines Beckens
sitzt eine Frau, schön wie der Mond, und singt zur Laute. Eine Sklavin führt
Harun in den Palast und hüllt ihn in einen safranfarbenen Mantel. Die Frau,
die im Garten sang, hat auf einem silbernen Thron Platz genommen. Auf Kissen
rings um den Thron sitzen sieben Männer in safranfarbenen Mänteln. >Nur du
fehltest noch<, sagt die Frau, >du hast dich verspätet<, und lädt ihn
ein, sich auf ein Kissen an ihrer Seite zu setzen. >Edle Herren, ihr habt
geschworen, mir blind zu gehorchen, nun ist die Stunde gekommen, euch auf die
Probe zu stellen,‹ sagt sie und nimmt sich eine Perlenkette vom Hals. >Diese
Kette hat sieben weiße Perlen und eine schwarze. Ich zerreiße sie nun und lasse
die Perlen in einen Onyxkelch fallen. Wen das Los trifft, die schwarze Perle
zu ziehen, der muß den Kalifen Harun al-Raschid töten und mir seinen Kopf bringen.
Zum Lohn dafür biete ich ihm mich selbst. Weigert er sich jedoch, den Kalifen
zu töten, so werden die sieben anderen ihn töten und die Ziehung der
schwarzen Perle wiederholen.« Schaudernd öffnet Harun al-Raschid die Hand, erblickt
die schwarze Perle, und wendet sich an die Frau: >Ich werde deinen und des
Schicksals Befehlen gehorchen, doch erzähle mir erst: Mit welcher Kränkung hat
der Kalif deinen Haß erregt?< fragt er, begierig auf die Erzählung.« - Tausendundeine
Nacht, nach: Italo Calvino, Wenn ein Reisender
in einer Winternacht. München 2007 (Zuerst 1979)
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