otzlöffel An
einer einsamen Ufereinbuchtung, wo ein schmaler Steg durch hohes Schilf zum
Strom hinaus führte, sahen wir am Ende des Stegs einen
gestikulierenden Mann in städtischer Kleidung stehen. Nur eine Sekunde lang
sahen wir ihn. Dann stürzte er sich kopfüber ins Wasser. Wir rasten den Steg
entlang und sahen zu unsrer Verblüffung die zuckenden Beine
des Mannes aus dem öligen Schlick ragen. Er steckte mit dem Kopf darin und konnte
sich offenbar nicht mehr hocharbeiten. Wir holten ihn mit Mühe heraus. Er war
nicht bewußtlos. Wahrscheinlich hatte er die Luft angehalten. Als wir ihn auf
den Steg zogen, wehrte er sich, stemmte sich aber gleichzeitig selber hinauf.
Dann stand er da, Schlamm aus Mund und Nase prustend, ein schwarzer Riesenmolch
mit einer Menschenstimme.
„Was fällt euch ein, ihr Rotzlöffel", fuhr er uns an, „ihr nichtsnutzigen
Lümmel. Was mischt ihr euch in fremder Leute Angelegenheiten? Lebensretter,
he? Vielleicht 'ne Medaille? Der Teufel hol' euch! Habt ja keine Ahnung, was
das für ein Leben ist. Ein Dreck ist's! Hat man sich glücklich und endlich aufgerafft,
Schluß zu machen mit dem verdammten Blödsinn, kommen zwei so Lauserte daher...
Also die ganze Schweinerei noch einmal. Daß ihr euch nicht wieder untersteht,
mich anzurühren!" Er hob die Hände wie zum Schlag, schrie: „Weg da, ihr
Muttersöhnchen! Prost!" und sprang mit einem gewaltigen Satz zurück in
das jauchige Wasser. Diesmal verschwanden auch die Beine im Nu. -
Wieland Herzfelde, Immergrün. Merkwürdige Erlebnisse und Erfahrungen eines fröhlichen
Waisenknaben
. Berlin 1949
|
||
![]() |
||
![]() |
![]() |
|
![]() |
||
|
|
|
![]() ![]() |
![]() ![]() |