... Doch Seelen, die wohlgeboren,
Erkiest
die Tugend vor den Jahren.
Dies ging so fort bis zum Alter von fünfzehn Jahren, als er m Paris
alles von ihr bekam, was er wollte. Ruvigny war rothaarig; aber die Vertraulichkeit
ist ein seltsam Ding; und dann stand er im Ruf der Tapferkeit.
In Venedig hatte er sich aus Zufall befunden auf der Suche nach Krieg;
er war nach Mantua gegangen; dort bekam Plassac Händel, der Bruder von
Saint-Preuil und ein tapferer Bursche, aber jedesmal, bevor er den Degen
zur Hand nehmen konnte, befiel ihn ein Zittern des ganzen Körpers: Ruvigny
trat ihm zur Seite und bekam es mit Bois von Almais zu tun, einem kühnen
Haudegen, der Puy-Laurens die Gunst von Monsieur streitig gemacht hatte;
Ruvigny tötete ihn, erhielt aber einen schweren Stich in die Seite. Herr
von Mantua, der alle französischen Kavaliere in seinem Palast beherbergte,
bat den Verletzten, sich aus Schicklichkeit in ein Stadthaus tragen zu
lassen; er schickte ihm aber seinen Wundarzt. Es waren damals Schauspieler
in Mantua. Jenem Haus gegenüber wohnte der Pantaleone jener Truppe, dessen
Frau sehr hübsch und gefällig war. Von seinem Bett aus sah Ruvigny sie
am Fenster. Sobald er ausgehen konnte, ging er hinüber; in drei Tagen war
die Sache abgemacht. Sie gingen zu Handgreiflichkeiten über (Ruvigny ist
wohlbestückt und ein großer Arbeiter im Weinberg seiner Herrin.) Ruvigny
warnte sie, denn sie konnte ihn nicht umarmen, ohne seine Wunde, die noch
offen war, zu berühren. Er hatte gut reden, sie begann ihn stürmisch zu
umarmen und drückte auf seine Wunde, die sogleich
zu bluten anfing, was ihm solchen Schmerz verursachte, daß er ohnmächtig
wurde. Sie fiel auch in Ohnmacht, in der Meinung, ihr Ehemann habe sie
überrascht und Ruvigny getötet. Als ihr die Sinne schwanden, stieß sie
ein lautes «Ojemine» aus. Auf den Schrei lief ihre Mutter
herzu und schaffte Ordnung, so gut sie konnte.
Ruvigny war nach dieser Tollheit drei Monate krank.
- (
tal
)
Rothaarigkeit (2) Nach allem, was ich entdecken
konnte, scheinen die Yahoos die ungelehrigsten
aller Tiere zu sein. Ihre Fähigkeiten reichen nie weiter, als daß sie Lasten
ziehen und tragen können. Ich glaube jedoch, dieser Mangel entsteht nur
aus ihrem verkehrten und störrigen Charakter. Denn sie sind listig, verräterisch,
boshaft und rachsüchtig. Sie sind stark und kräftig, aber zugleich auch
feig, und folglich unverschämt, niederträchtig
und grausam. Man hat bemerkt, die Rothaarigen beider Geschlechter seien
wollüstiger und boshafter als die übrigen, die sie jedoch an Stärke und
Geschicklichkeit übertreffen. - (
gul
)
Rothaarigkeit (3) Der Rabbi überlegte. «Ich hab natürlich das Plakat in der Halle gesehen. Professor Fine muß bei den Studenten sehr beliebt sein, wenn sie seinetwegen eine Eingabe machen.»
Hendryx zog die Schultern hoch. «Kann sein. Andererseits ergreifen die Studenten - wenigstens einige von ihnen - jede Gelegenheit, einen Streit anzufangen. Ich weiß nicht, wie beliebt Roger Fine ist. Er sieht sehr gut aus, demnach werden wohl die Mädchen auf seiner Seite sein. Das schöne rote Haar -» Er verstummte. .«Irgendwie bringe ich rotes Haar nicht mit Ihren Leuten in Verbindung. Glauben Sie, daß es zwischen seiner Mutter oder Großmutter ein Techtelmechtel mit einem russischen oder polnischen Soldaten gegeben haben könnte?»
«Wenn ja», sagte der Rabbi gleichmütig, «war es vermutlich unfreiwillig während eines Pogroms. Aber es gibt tatsächlich rotes Haar als Erbfaktor bei den Juden. König David soll rothaarig gewesen sein.»
«Ach? Na, wie dem auch sei, ein hübscher junger Professor ist bei den Frauen immer populär. Auch wenn er ein Krüppel ist.»
«Macht das denn einen Unterschied?»
«Oh, ich sage ja nicht, daß er so verkrüppelt ist, um abstoßend zu wirken.
Er geht am Stock, und das macht ihn vielleicht auf irgendeine Art noch
anziehender. Ein moderner Lord Byron. Er sieht ihm ein bißchen ähnlich,
wenn man's sich recht überlegt. Mit dieser Locke, die ihm in die Stirn
fällt.» Er lachte leise. «Ein rothaariger Byron. Ein kleiner physischer
Fehler kann manchmal eine Bereicherung sein. Sehen Sie sich den Mann von
der Hathaway-Hemdenreklame an, oder warum nicht Ihren General Moshe Dayan?»
- Harry Kemelman, Am Dienstag sah der Rabbi rot. Reinbek bei Hamburg
1975 (rororo thriller 2346, zuerst 1973)
Rothaarigkeit (4) In Pitrés Sammlung finden sich folgende Sprichwörter, die vor rothaarigen Menschen und Tieren warnen: Rotes Fell, böses Fell; Rot wie Judas; Rot bringt Not; Schweine und Katzen dürfen nicht rot sein (Männer und Frauen natürlich erst recht nicht); Hüte dich vor rotem Fell bei Katzen und Hunden; Hast du Vieh im Haus, wirf rote Schweine und Hunde hinaus; Nur zwei Rothaarige waren treu: Jesus Christus und das Kalb von Sorrent. Pitre merkt dazu an: »Nach der Volkstradition hat Jesus Christus rötliches Haar« doch er sagt uns nichts über das Kalb von Sorrent, das Christus in bezug auf Treue gleichgesetzt wird.
Handelt es sich um ein legendäres Kalb oder um eine bestimmte Rasse,
die angeblich aus Sorrent stammte? Er führt auch ein Verschen an, mit dem
die Kinder in Palermo ihre rothaarigen Spielkameraden verspotteten: »Böser
Roter / halt dich am Holz fest / halt dich ganz fest / der Tod geht vorbei«;
und führt gleiche oder ähnliche Sprichwörter aus Neapel, Sardinien, der
Toskana, Venetien und der Lombardei an sowie das mittelalterliche »Si ruber
est fedelis, diabolus est in coelis«, das den Rothaarigen die Fähigkeit
der Treue prinzipiell abspricht und auch Jesus Christus und das Kalb von
Sorrent nicht als Ausnahmen gelten läßt. Carducci übrigens, der den Aufstieg
Christi zum Capitol als unheilvoll bezeichnete, sprach von dessen »rot
wallendem Haar«, wodurch er ihn, unter Berufung auf den Volksglauben, zu
einem Menschen stigmatisierte, der nur Unheil bringen konnte. -
(scia)
Rothaarigkeit (5) Es gibt sogar Menschenfleisch-Rezepte.
(Zum Beispiel vom deutschen Pharmakologen Johannes Schröder aus dem 17.
Jahrhundert. Er empfahl, den frischen Kadaver eines
rothaarigen Mannes Mitte 20 mit Myrrhe und Aloe zu besprenkeln und in Weingeist
einzulegen.) -
TAZ
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