omantikerin
Überhaupt lag in ihrem Wesen jede Hoheit und jede Zierlichkeit, die
der weiblichen Natur eigen sein kann, jede Gottähnlichkeit und jede Unart, aber
alles war fein, gebildet und weiblich. Frei und kräftig entwickelte und äußerte
sich jede einzelne Eigenheit, als sei sie nur für sich allein da, und dennoch
war die reiche, kühne Mischung so ungleicher Dinge im ganzen nicht verworren,
denn ein Geist beseelte es, ein lebendiger Hauch von Harmonie und Liebe. Sie
konnte in derselben Stunde irgend eine komische Albernheit mit dem Mutwillen
und der Feinheit einer gebildeten Schauspielerin nachahmen und ein erhabenes
Gedicht vorlesen mit der hinreißenden Würde eines kunstlosen Gesanges. Bald
wollte sie in Gesellschaft glänzen und tändeln, bald war sie ganz Begeisterung,
bald half sie mit Rat und Tat, ernst, bescheiden und freundlich wie eine zärtliche
Mutter. Eine geringe Begebenheit war durch ihre Art, sie zu erzählen, so reizend
wie ein schönes Märchen. Alles umgab sie mit Gefühl und Witz, sie hatte Sinn
für alles, und alles kam veredelt aus ihrer bildenden Hand und von ihren süß
redenden Lippen. Nichts Gutes und Großes war zu heilig oder zu allgemein für
ihre leidenschaftlichste Teilnahme. Sie vernahm jede Andeutung, und sie erwiderte
auch die Frage, die nicht gesagt war. Es war nicht möglich, Reden mit ihr zu
halten; es wurden von selbst Gespräche, und während dem steigenden Interesse
spielte auf ihrem feinen Gesichte eine immer neue Musik von geistvollen und
lieblichen Mienen.
- Friedrich Schlegel, Lucinde (über Caroline Michaelis)
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