ohrpfeife
Wenn man bedenkt, daß das Jahr 365 Tage hat, und wenn man nur,
gering gerechnet, den Tag mit drei Männern einschätzt, so macht das an elfhundert
Männer im Jahr, macht in drei Jahrzehnten wohl dreiundreißigtausend Männer.
Es ist eine Armee. Und man wird es weder anraten noch wünschen, daß ich von
jedem dieser dreiunddreißigtausend Schweife, die mich im Laufe der Zeit bewedelt
haben, einzeln Rechenschaft ablege. Es ist auch gar nicht notwendig, daß ich
es tue. Weder für mich, die ich diese Blätter nur aufschreibe, um mein Leben
in seinen Hauptzügen an mir vorübergleiten zu lassen, noch für diejenigen, die
in diesen Aufzeichnungen vielleicht nach meinem Tode blättern werden. Denn im
ganzen ist die Liebe unsinnig. Das Weib
gleicht so einer alten Rohrpfeife, die auch nur ein paar Löcher
hat und auf der man eben auch nur ein paar Töne spielen kann. Die Männer tun
alle dasselbe. Sie liegen oben, wir liegen unten.
Sie stoßen und wir werden gestoßen. Das ist der ganze
Unterschied.
- Josefine Mutzenbacher. Die Lebensgeschichte einer
wienerischen Dirne, von ihr selbst erzählt. München
1969 (zuerst
1906)
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