obotertod Sie
hoben das fremde Raumschiff aus seiner Lagerstatt. Auf Ambossen aus Platin zerschmetterten
sie es. Und als es zerfallen war, tauchten sie es in harte Strahlung. Da verwandelte
es sich in Myriaden flüchtiger Atome. Und diese schweigen auf ewig. Denn Atome
sind ohne Geschichte, und es bleibt sich gleich, woher sie stammen: von stärksten
Gestirnen oder von toten Planeten oder aus einem denkenden Wesen, es sei nun
gut oder böse. Denn die Materie ist im ganzen Kosmos dieselbe, und nicht sie
haben wir zu fürchten. Dennoch erfaßten die Forscher sogar diese Atome, ließen
sie zu einem einzigen Klumpen gefrieren, schössen ihn zu den Sternen ab und
sagten erst dann erleichtert zu sich selbst: »Daraus kann nichts mehr erwachsen.
Wir sind gerettet.« Doch schon vorher, als noch die Platinhämmer auf das zerfallende
Schiff eingeschlagen hatten, da war aus einer aufgetrennten Naht des blutbeschmierten
Gewandfetzens eine unsichtbare Spore herausgefallen. Ein Sandkorn hätte hundert
ihresgleichen zugedeckt, so klein war sie. Und in Staub und Pulver zwischen
den Felsen der Höhlen schlüpfte in der Nacht aus dieser Spore ein weißer Keim,
und daraus ein zweiter, ein dritter, ein hundertster. Und sie hauchten Sauerstoff
und Feuchtigkeit, und der Rost befiel die Platten der Spiegelstädte. Und unbemerkbares
Fadengeflecht wucherte im kalten Eingeweide der Enteralen. Und als sie aufstanden,
trugen sie schon den Tod in sich. Da verstrich kein Jahr, und schon waren alle
dahingemäht. Die Maschinen in den Grotten standen still, die kristallenen Feuer
erloschen, brauner Aussatz zerfraß die Spiegelkuppeln. Und als sich die letzte
Atomwärme verflüchtigt hatte, sank Finsternis herab. Durch klirrende Skelette
sickernd, rostige Schädel füllend, erloschene Augenhöhlen einspinnend, mehrte
sich in dieser Finsternis flaumiger, feuchter, weißer Schimmel.
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Stanislaw Lem, Robotermärchen. Frankfurt am Main 1973 (st 2673, zuerst
1964)
Robotertod (2) Seine Hand zitterte, als sie die Schneideklinge anhob. Es kann in einer Sekunde erledigt sein, überlegte er. Alles vorbei. Und - mir bleibt immer noch Zeit, die durchtrennten Enden des Streifens wieder zusammenzuschweißen, überlegte er. Mindestens eine halbe Stunde. Falls ich es mir anders überlege.
Er schnitt den Streifen durch.
Sarah starrte ihn mit eingezogenem Kopf an und flüsterte: »Es ist nichts passiert.«
»Mir bleiben noch dreißig oder vierzig Minuten.« Er setzte sich wieder an den Tisch, nachdem er die Hände aus den Handschuhen gezogen hatte. Er merkte, daß seine Stimme zitterte; ohne Zweifel war es Sarah aufgefallen, und er ärgerte sich über sich selbst, weil er wußte, daß er sie erschreckt hatte. »Tut mir leid«, sagte er unvernünftig; er wollte sich bei ihr entschuldigen. »Vielleicht solltest du besser gehen.« Seine Stimme verriet Panik; er stand wieder auf. Sie tat es ihm nach, reflexartig, als imitiere sie ihn; mit aufgedunsenem Gesicht stand sie da und zitterte. »Geh schon«, sagte er mit belegter Stimme. »Zurück ins Büro, wo du sein solltest. Wo wir beide sein sollten.« Ich werde die Enden des Streifens wieder zusammenschweißen, sagte er sich; der Druck ist einfach nicht auszuhalten.
Er hielt die Hände vor die Handschuhe und wurstelte seine störrischen Finger hinein. Als er auf den Vergrößerungsschirm blickte, sah er den Lichtstrahl aus der Fotozelle aufscheinen, direkt auf den Scanner zielend; im gleichen Augenblick sah er das Ende des Streifens unter dem Scanner verschwinden ... er sah es, verstand es; ich bin zu spät dran, kapierte er. Es ist durchgelaufen. Gott hilf mir, dachte er. Es ist schneller abgespult, als ich mir ausgerechnet hatte. Dann kommt also jetzt -
Er sah Äpfel und Kopfsteinpflaster und Zebras. Er spürte Wärme, die seidige Beschaffenheit von Stoff; er spürte den Ozean, der ihn umspülte, und einen heftigen Wind von Norden, der an ihm zerrte, wie um ihn fortzutragen. Sarah war immer da, ebenso Danceman. New York funkelte in der Nacht, und die Schwärmer um ihn herum flitzten und kurvten durch Nachthimmel und Tageslicht, bei Hochwasser und Dürre. Butter zerlief in seinem Mund, und zugleich drängten abscheuliche Gerüche und Geschmacksempfindungen auf ihn ein: der bittere Geschmack
von Giften und Zitronen und Halmen von Sommergras. Er ging unter; er fiel; er lag in den Armen einer Frau in einem riesigen, weißen Bett, das zugleich schrill in sein Ohr lärmte: das Alarmsignal eines steckengebliebenen Aufzugs in einem der uralten, heruntergekommenen Downtown-Hotels. Ich lebe, ich habe gelebt, werde nie leben, sagte er zu sich, und jedes Wort, jeder Laut begleitete seine Gedanken; Insekten zirpten und wimmelten, und er sank halb in das komplexe Gebilde einer homöostatischen Maschine irgendwo in den Tri-Plan-Labors.
Er wollte etwas zu Sarah sagen. Mit geöffnetem Mund versuchte er, Worte zu bilden - eine bestimmte Folge von Worten aus der Unzahl von Begriffen, die sein Bewußtsein gleißend hell erleuchteten, ihn mit ihrer allumfassenden Bedeutung versengten.
Sein Mund brannte. Er fragte sich, warum.
Stocksteif gegen die Wand gepreßt, öffnete Sarah Benton die Augen und sah
die Rauchspirale aus Pooles halbgeöffnetem Mund aufsteigen. Dann sank der Rob
zu Boden, stützte sich auf Ellbogen und Knie und zerfiel dann langsam zu einem
kaputten Haufen lebloser Materie. Sie wußte, ohne es nachzuprüfen, daß der Roboter
»gestorben« war. Poole hat sich das selbst angetan, versuchte sie sich klarzumachen.
Und der Roboter konnte keine Schmerzen empfinden, wie er selbst gesagt hatte.
Keine großen Schmerzen zumindest; leichte vielleicht schon. - Philip K. Dick, Die elektrische Ameise.
In: P. K. D., Der Fall Rautavaara. Zürich 2000
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