obotermausoleum
Ich war allein, und diesmal erschien mir die Galerie sehr geräumig.
Obwohl keine Besucher mehr kamen und wohl auch nicht gereinigt wurde, war es
vollkommen sauber. Ich fuhr mit dem Finger über die Scheiben und überzeugte
mich, daß auch nicht eine Spur von Staub auf ihnen lag. Die Informatoren in
den Nischen glänzten ebenfalls, als ob sie gerade erst installiert worden wären. Ein
dicker, weicher Spannteppich verschluckt jeden Schritt. Ich wollte auf die Taste
des Informators drücken, aber ich brachte es nicht über mich. Ich verbarg die
Hand, mit der ich die Taste berührt hatte, in der Tasche, wie ein Kind, das
vor der eigenen Tat erschrickt, so als hätte ich etwas berührt, was man nicht
berühren darf. Ich wunderte mich über mich selbst und wußte nicht, woran es
lag. Ich war ja durchaus nicht der Ansicht, mich in einem Grab zu befinden und
hinter den dicken Scheiben eine Leiche zu erblicken; abwegig wäre dieser Gedanke
freilich nicht gewesen, denn im Schein der Lampen, die beim Verlassen des Aufzugs
aufgeflammt waren, hatte mich die Leblosigkeit des Kolosses in der Tiefe überwältigt.
Der Eindruck von Verlassenheit und Zerfall verstärkte sich noch beim Anblick
der Oberfläche des Gehirns, die sich wie ein im Schmutz erstarrter Gletscher
wellte. Aus seinen Spalten ragten zusammengepreßte Josephson-Kontakte hervor,
deren Flächen so breitgedrückt waren, daß man an die zu Lappen gepreßten Tabakblätter
in einer Darre denken mußte. Daß ich mich in einem Grabmal befand, schoß mir
erst durch den Kopf, als ich, ins Untergeschoß zurückgekehrt, über die Rampe
ins sonnige Tageslicht hinausfuhr. Auch da erst wunderte ich mich, daß dieses
Gebäude, das mit seiner Galerie gleichsam von vornherein als Mausoleum errichtet
worden war, nicht zu einem Mausoleum geworden war und nicht von Scharen Neugieriger
besucht wurde. Das Publikum schaut sich ja schließlich gern die Überreste mächtiger
Wesen an. - Stanislaw Lem, Also sprach GOLEM. Frankfurt am Main
1986 (zuerst 1973)
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