Ritter, heruntergekommene    Nachdem die Riesen endgültig verschwunden sind (man findet keine mehr), wird der wahre Zustand der Ritter von Carlo Gozzi (Marfisa bizzarra, 1761) beschrieben. Was passiert ohne die Riesen? Es passiert, dass die Paladine degeneriert, alt und ranzig werden. Die Marfisa bizzarra ist ein äußerst spätes Epos, aber doch ungeheuer scharfsinnig, was die historische Analyse angeht, denn es zeigt klar und deutlich, dass die Paladine ohne auch nur den Schatten eines Riesen, der sie in ihrem gereizten Zustand erhielte, verblödet, versauert, gichtbrüchig sind und dem Tabak verfallen. Ihr Gedächtnis ist schwankend, manche schämen sich für das, was sie in der Vergangenheit gemacht haben, für das Aufsehen, für die Angebereien; andere sagen, nichts als Übertreibungen, was Ariost und der Graf Boiardo erzählen, sie glauben nicht einmal selbst daran, lauter Märchen. Wieder andere denken tatsächlich, sie seien verrückt oder halb verrückt gewesen oder hätten zumindest verrückte Anwandlungen gehabt, wenn sie wirklich getan haben sollten, was erzählt wird. Dann jammern sie, sie hätten zu viel Luft und zu viel Feuchtigkeit abbekommen, als sie unentwegt über unwegsame Orte ritten, auf den Wiesen schliefen, dem Mond und dem Morgentau ausgesetzt, und sie hätten als Folge auch Nierenschmerzen, Arthritis, Bronchialhusten, Neuralgien an den Zähnen und Karies und eine beginnende Osteoporose wegen des zu starren und geschlossenen Panzers, der nicht nach orthopädischen Maßstäben angefertigt sei. Das Heilmittel ist, so denken alle, guten Wein zu trinken, fett und viel zu essen, um wieder zu Kräften kommen, viel und fest zu schlafen, bis über den Mittag hinaus, sich eine Konkubine zur Wärrnung des Bettes zu halten, eventuell auch mehr als eine, sagt Carlo Gozzi im ersten Gesang (Marf. I, 12). Und sie sind Lustmolche, Fresssäcke und Faulpelze, sagt Gozzi; sie lesen unflätige Bücher, nicht die alten von ihren Unternehmungen; sie lesen nur französisches Zeug, von ausbrechenden Nonnen und Liebhabern im Kloster. Und dann gehen sie alle ins Theater, dort sehen sie Türken, die von ihren vielen Frauen betrogen werden, und Eunuchen und Sklaven, die vulgär daherreden, und sie, die Paladine, wiederholen es zur Befriedigung der niedrigen Instinkte.

Rinaldo ist Alkoholiker. Und da er kein Geld hat, treibt er Schmuggel mit Branntwein, Tabak, Wein, Öl und Salz; und dabei trinkt er, soviel er kann, bis er auf einmal zu fluchen anfängt wie ein Berserker. Clarice, seine Frau, ist immer inmitten ihrer Tränen wie in einem See; und um sie zu trösten, macht er vor ihr mit den Dienerinnen, was uns Gozzi in dieser Stelle aus Anstand nicht erzählt. - Ermanno Cavazzoni, Das kleine Buch der Riesen. Berlin 2010

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