iesenratte Wenn
die Ratten so frei herumlaufen, muß ich immer denken, sie könnten aus Pappe
sein und auf Röllchen laufen. Die Wirtin spricht begütigend davon. Aber seit
eine plötzlich vor mir auf dem Tisch saß, auf dem ich schreiben wollte, muß
ich immer denken, ich finde mal eine im Bett, zugedeckt bis an den Hals und
die Pfötchen auf der Decke. Das wäre etwas, wenn ich selbst eines Tages als
Ratte im Bett läge, eine Zigarette zwischen den Nagezähnen und die Zeitung lesend.
Es kommt gewiß von den Riesenratten, die ich als Kind einmal auf dem Jahrmarkt
sah. Es waren aber gewiß nur verkleidete Hamster. Der Schausteller, der sie
zeigte, hatte auf das Plakat geschrieben: »Riesenratten aus Paris«. Auf dem
Bilde sah man einen Jungen, der eine Milchkanne trug und damit nebst einem schlecht
befestigten Kanaldeckel in die Tiefe stürzte. Da unten führte man ihn dann vor
den Rattenkönig und machte ihm den Prozeß. Dem Schausteller war es gelungen,
vierer dieser Prachtexemplare habhaft zu werden und sie in Eisenkäfigen vorzuzeigen.
Er fütterte sie mit gelben Wurzeln, und mir scheint, in der Erinnerung, sie
sahen sogar recht menschlich aus. Wo hab ich doch so ein
Gesicht gesehen? - Hugo Ball, Die Flucht aus der Zeit. Zürich 1992 (zuerst 1927)
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