iesenhunger
Also eines schönen Tages kommt Morgante zu einer Wegkreuzung und sieht dieses
unterentwickelte, bräunliche, sogar rachitische Wesen daherkommen, Margutte.
Er schlägt den Glockenschwengel auf die Erde, als wollte er sagen: »Da sind
wir«, und sie verstehen sich sofort. So beginnt ihre gemeinsame Reise nach Syrien,
zu entvölkerten, öden Orten, wo es selten ein Gasthaus gibt, aber auch als sie
auf eines stoßen, hapert es mit den Speisen, weswegen sie einen Büffel, der
gerade noch auf der Weide war, braten lassen und essen (im ersten Gasthaus),
nachher aber noch Hunger haben, weil Morgante bis dahin unterernährt wurde (in
Paris bei Karl dem Großen, der ihn zwar gernhatte, aber auf ihn aufpasste und
nicht wollte, dass an seiner Tafel über die Stränge geschlagen würde). So essen
sie alles auf, was es in dem Gasthaus gibt, so viel, wie nach den Worten des
Wirts das ganze Volk nicht einmal in einem Monat essen würde. Aber das ist das
letzte Gasthaus, dann beginnt die Wüste, und der Hunger wird immer größer und
akuter und märchenhafter, denn in den Wüsten begegnet man nur den Wesen aus
den mittelalterlichen Enzyklopädien, die berühmt sind, aber die bis dahin niemand
probiert hatte, deswegen essen sie ein Einhorn, dann eine Schildkröte, die wie
ein Berg aussieht, daraufhören sie einen Pfiff, und es erscheint ein Basilisk.
Ob er genießbar ist? Sieht so aus; sie neigen immer dazu, es zu glauben, sie
machen ein Feuer und verzehren ihn, den Schwanz lassen sie übrig, weil er giftig
ist; dann sehen sie einen Elefanten (den isst Morgante allein, und Margutte
protestiert, denn er darf nur ablutschen, was übrigbleibt, das heißt die Füße
und den Kopf); und da sie zum Transport ein weibliches Kamel dabei haben, essen
sie zuletzt auch das Kamel. Wie man sieht, kennt der Riese keine Grenzen, er
würde auch Luzifer verspeisen; du würdest sogar mich auffressen, sagt Margutte
stinksauer zu Morgante. - Ermanno Cavazzoni, Das kleine Buch der Riesen. Berlin
2010
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