iesenerotik Man betrachte das Verhalten Sperantes und Beltramos, zweier wilder Riesen. Die beiden haben ein Mädchen entführt; und bis hierher ist ihr Verhalten normal, das heißt es entspricht einer Gepflogenheit der Rasse; Jeder Riese will an einem bestimmten Punkt seines Lebens ein Mädchen besitzen, und wenn er zufällig eines sieht, nimmt er es und schleppt es fort, auch ohne eine klare Vorstellung über seinen Verwendungszweck zu haben. Das Mädchen geht am Nil spazieren, als Beltramo auftaucht und es besitzen will..Beltramo lebte zusammen mit seinem Bruder Sperante, und naturgemäß waren sie Junggesellen. Beltramo hätte es für sich behalten können, aber er stellt es der Familie, das heißt seinem Bruder zur Verfügung, nach einer Regel des sexuellen Kommunismus, der, wie wir gesehen haben, zur Zeit Karls des Großen als Ideologie der Riesen zu betrachten ist. Worin aber besteht diese kommunistische sexuelle Tätigkeit? Darin, dass das Mädchen einfach jeden Tag mit Ketten gepeitscht wird. »Jeden Tag«, erzählt sie, »schlägt mich dieser Räuberriese mit einem Bündel Ketten« (Morg. XIX, 27). Sie selbst bezeugt es. Auch wenn es so aussehen könnte, sind die Riesen keine Sadisten; es fehlen noch einige Jahrhunderte, bis man Sadist sein kann. Dem Anschein nach ist das Verhalten dasselbe. Aber wenn der Riese peitscht und flucht, peitscht und flucht er ohne theologisches Bewusstsein; während die Denker der Aufklärung (auch der Marquis de Sade) die Peitsche führen werden, um das Bündnis zwischen Gott und den Menschen zu zerstören und in der Folge einen theologischen Orgasmus zu bekommen (während die Riesen überhaupt nicht wissen, was ein Orgasmus ist, und was man tun muss, um einen zu kriegen).
Wir sagen, dass dagegen der Riese Beltramo und sein Bruder Sperante in der
Gefühlssphäre herumtappen, ohne zu begreifen, worum es geht. Es gibt etwas,
das man mit dem Mädchen anfangen könnte, sagen sie unter sich, - aber was? Und
sie versuchen es mit den Ketten, doch das ist falsch. Sie sind naiv, isoliert,
ohne Vorbilder; eben wild. Die menschliche Natur steht in Widerspruch zu ihrer
Reptilkultur. Auf ihre Weise legen nämlich Beltramo und Sperante eine Art pädagogische
Feinfühligkeit an den Tag, indem sie einem Programm folgen, um dem Mädchen ihre
Ideale näherzubringen (das Programm dauert schon sieben Jahre). Zuallererst
geben sie ihr Vipern und Nattern zu essen; sie
beklagt sich; sie weiß nicht, dass diese als Leckerbissen zu betrachten sind.
Dann soll sie mit den kleinen Schlänglein spielen, die sie ihr eigens bringen,
damit sie sich amüsiert. Und sie beklagt sich wieder, sagt, die zwei verstehen
sie nicht, sagt, Schlangen interessieren sie nicht, weder große noch kleine.
Doch sind die beiden von einer Art raubeinigen Zuneigung beseelt, die wissenschaftlich
der Methode Montessori entspricht, sogar mit diesbezüglichem didaktischem Material,
aber sie versuchen auf impotente Weise auch hinter das Geheimnis des Sex zu
kommen. Sie wirken wie zwei eifersüchtige pädophile Onkel, die sich seit sieben
Jahren um das Mädchen kümmern und sie beschützen, während sie nichts versteht
und sich an nichts gewöhnt: »Oh jämmerliches, elendes und schmerzliches Leben!«
sagt sie leidenschaftlich zu Morgante und Margutte, die zwar auch Riesen, aber
gegen die Entführung weiblicher Wesen sind, weil sie sich entweder weiterentwickelt
oder schon darauf verzichtet haben. - Ermanno Cavazzoni, Das kleine Buch der Riesen. Berlin
2010
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