Rentner, schlechtgelaunter   Am Ende des Flurs sah er an einer Zimmertür auf einem beschädigten, schief hängenden Porzellanschild die Nummer 22. Er klopfte mit den Knöcheln an, und von der anderen Seite kam eine Stimme, die von oben nach unten ging, eine dieser gewichtigen Stimmen, die in der Art und Weise von unten nach oben gehen, wie ihr Besitzer andere Menschen auch ansieht.

«Wer ist da?»

«Señor Raurell? Ist Señor Raurell da?»

Die Tür blieb zu, und wieder hörte er die ungnädige Stimme.

«Ich habe viel zu tun. Was wollen Sie?»

«Ich komme von Sánchez Zapíco.»

«Treten Sie ein!»

Ein schmutziger Filzhut überschattete ein Gesicht, das zum Häuptling jedes beliebigen Indianerstammes gepaßt hätte. Er trug einen marineblauen Zweireiher, Krawatte mit goldener Anstecknadel, ein seidenes Tüchlein in der oberen Jackentasche und zweifarbige Schuhe. In den knotigen Händen hielt er einen Bambusstock. Er war dabei, eine Radiosendung zu hören. Auf einem alten Büroschreibtisch standen ein Karteikasten aus Pappe und eine «Underwood», die aus einem Museum der ersten industriellen Revolution entwendet zu sein schien.

«Ich mache für Sie eine Ausnahme. Vormittags habe ich keine Sprechzeit, denn ich bereite meine nächsten Aktionen vor.»

Carvalho schaute sich vergeblich nach einer Sitzgelegenheit um. Auf dem einzigen Stuhl im Zimmer saß Raurell.

«Diese Frau unten, die bestimmt versucht hat, Sie von einem Besuch bei mir abzuhalten, hat mir den andern Stuhl weggenommen. Sie sagt, es sei schon eine Ausnahme, daß ich einen Schreibtisch für mich allein haben dürfe. Ich diskutiere nicht mit ihr. Ich hab ihr auch nie die Ohrfeige gegeben, die sie verdient hat.» Der alte Indianer machte eine Pause und spuckte dann aus: «Mein Arzt hat mir verboten, Scheiße anzufassen.»   - Manuel Vázquez Montalbán, Schuß aus dem Hinterhalt. Reinbek bei Hamburg 1990

 

Rentner Laune, schlechte

 

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