enaissancefürstchen   Wolli sitzt alleine auf dem Plüschsofa.

Reimar Renaissancefürstchen bringt Goldhämsterlein zurück. Erst hat sie mit Reimar auf Liebe rumgeknutscht, aber dann ärgerte sie sich über die verplemperte Zeit und ging im Palais d'Amour anschaffen. Ärgerte sie sich über die verplemperte Zeit?

Sie begriff:

Der da, das Fürstchen, reißt mich hier nicht raus und dann kann ich in der gleichen Zeit und mit der gleichen Anstrengung auch lieber Geld damit verdienen. Goldhämsterchen setzt sich neben Wolli aufs Sofa. Reimar Renaissancefürstchen steht vor dem Tisch. Jäcki sitzt im Plüschsessel.

Jäcki beobachtet, wie Reimar die rot gefrorene Christina ansieht, wie Reimar ihr Frösteln bemerkt, ihr Schweigen, ihre Lacktasche mit dem angeschafften Geld, die sie, wie ein Kind, könnte Reimar Renaissancefürstchen denken, an der Hand mitzieht und dann auf den Tisch stellt, wie Reimar, der das Geld für die Absteige sich von Wolli schenken läßt, um zärtliche Stunden mit Wollis Frau zu verbringen und großzügig mit ihr essen zu gehen, wie Reimar möchte, aber vor Wollis Augen doch nicht wagt - Goldhämsterchen warmlecken!

- Hast du gut verdient, sagt Wolli.

- Es geht, sagt Christina.

- Ich habe auch gut verdient, sagt Wolli. Vier verkaufte Filmkopien, sechshundert Mark, zwei bunte Originale, das sind sechshundert Mark. Sechs Kunden, das sind noch mal rund dreihundert Mark. Vermittlungsgebühren, Stoff weitergeben -wenn ich subtrahiere, was ich dem Portier schulde und die Getränke, so habe ich zwei Riesen, will sagen, zwei Tausender eingehandelt.

- Ich habe vierhundert Mark angeschafft, sagt Goldhämsterlein.

- Wir müssen noch durchhalten bis November, dann erwarten uns zweihundert Riesen auf unserem Konto in der Schweiz. Dann brauchst du im Neuen Jahr nicht mehr zu arbeiten. Wir erwerben eine Villa auf Teneriffa oder ein niedersächsisches Rauernhaus mit See und Wald oder ein kleines Chalet und verbringen unsre Tage damit, in der Stille der Wälder dahin-zuwandern und die Strukturen zu beobachten, die das Wasser im Sand hinterläßt. Dann betrete ich den Kiez nicht mehr. Ich kaufe nur noch eine Nachtbar dazu, die ich sogleich weiterverpachte, das Geld daraus und das Geld aus dem Mädchen-wohnheim lasse ich durch den Rechtsanwalt eintreiben und lebe nur noch der Literatur und der Malerei. Jäcki sieht, daß Reimar Renaissancefürstchen bemerkt, Goldhämsterlein erwartet, von Wolli in den Arm genommen zu werden, gestreichelt zu werden, ins Ohr gebissen zu werden, geleckt zu werden, geschlagen zu werden. Jäcki und Reimar Renaissancefürstchen lächeln sich an.

- So sehen wir uns wieder. Du hältst in Berlin eine Minderjährige zu und ich bin immer noch bi und lebe immer noch mit Irma zusammen.

Das Lächeln von Reimar Renaissancefürstchen vergrößert sich. Er bekommt vier Lippen.

- Das Lächeln - irgendeine Demutsgeste des Orang-Utan -Zähne freilegen. Eine weiße Barriere im Gesicht. Sieh, meine Zähne. Ich will dich nicht beißen. Und jetzt verwenden wir es krampfhaft bei jeder Gelegenheit, wie bei jeder Gelegenheit die Floskel: Es muß ja auch Spaß machen. Topmanager lächeln sich krumm vor der tödlichen Aufsichtsratssitzung.

- Er liebt mich nämlich, Wolli, sagt Reimar Renaissancefürstchen. Er lächelte mich wochenlang an und wagte nicht, mich anzuseibeln. Das war noch vor meiner Ehe.

- Liebte dich? Was soll das bedeuten? sagt Wolli. Wollte dich ausnehmen, profitieren von dir, wie Goldhämsterlein profitiert von dir, für ihre sexuelle Befriedigung, weil sie Bock auf dich hat, dich als Liebeskaspar auf dem Kiez vorzuführen, profitieren, wie ich von Goldhämsterlein leiblich profitiere. Und wenn sie keinen Bock mehr auf dich hat, also nicht mehr von dir profitieren kann, dann läßt sie dich sausen und geht wieder ausschließlich mit mir zusammen. Du hast ein umfangreicheres Glied als ich, aber von der Form des meinen profitiert eine Frau ä la longue doch mehr; außerdem lecke ich besser als du.

- Ob ich weiß, was Reimar für einen Oymel hatl sagt Jacki.   - Hubert Fichte, Detlevs Imitationen "Grünspan".  Frankfurt am Main 2005 (zuerst 1973)