Reisekostenabrechnung    Als mein Vater den Brief empfing, der ihm die betrübliche -Nachricht vom Tode meines Bruders Bobby meldete, war er-just damit beschäftigt, die Kosten für dessen Postkutschenfahrt von Calais nach Paris und von dort aus weiter nach Lyon zu berechnen.

Die Reise stand unter einem wahren Unstern; denn mein Vater mußte jeden Schritt davon noch einmal tun und seine Berechnung, mit der er schon beinahe fertig war, aufs neue beginnen, weil Ohadiab die Tür auftat, um ihm zu eröffnen, daß keine Hefe mehr im Hause sei - und um zu fragen, ob er nicht in aller Herrgottsfrühe das große Kutschpferd nehmen und losreiten solle, Um welche zu besorgen. - Herzlich gern, Obadiah, sagte mein Vater, (indes er seine Reise fortsetzte) - nehm Er nur das Kutschpferd, Er darf's gern haben. - Aber es hat doch ein Hufeisen verloren, das arme Tier! sagte Obadiah. - Das arme Tier! sagte mein Onkel Toby, indem er den angeschlagenen Ton wie eine gleichgestimmte Saite nachklingen ließ. So reit Er eben den Schotten, sprach mein Vater hastig. - Der leidet keinen Sattel auf dem Puk-kel, sprach Obadiah, um keinen Preis. — Das Pferd hat den Teufel; so nehm Er den PATRIOT, rief mein Vater, und mach Er die Türe zu. — PATRIOT ist verkauft, sagte Obadiah. - Prost die Mahlzeit! rief mein Vater, hielt inne und blickte meinem Onkel Toby so ins Gesicht, als ob das unmöglich der Fall sein könne. -Euer Gnaden haben mir doch vorigen April befohlen, ihn zu verkaufen, sagte Obadiah. - Ei was nicht gar, so mag Er denn für Sein Teil auf Schusters Rappen gehen, rief mein Vater, - Das ist mir ohnedem lieber, sagte Obadiah und zog die Türe zu.

Quälgeist! rief mein Vater und fuhr in seiner Berechnung fort. - Aber der Fluß ist über die Ufer getreten, sagte Obadiah, - und machte die Türe wieder auf.

Bis zu diesem Augenblick hatte mein Vater, vor dem Sanson's Karte und ein Poststraßenbuch ausgebreitet lagen, die Hand auf dem Kopf des Zirkels belassen, dessen einer Schenkel m Nevers stak, der letzten Station, für die er bezahlt hatte - mit dem Vorsatz, von diesem Punkt in seiner Reise und Berechnung fortzuschreiten, sobald Obadiah nur aus dem Zimmer wäre; allein diese zweite Attacke Obadiah's, bei der er die Türe aufschwang und das ganze Land unter Wasser setzte, war zuviel. - Er ließ den Zirkel fahren - oder warf ihn vielmehr in einer von Zufall wie Zorn gelenkten Bewegung auf den Tisch; und nun blieb ihm nichts weiter übrig, als (wie viele andere) ebenso klug nach Calais zurückzukehren, wie er von dort aufgebrochen war.

Als der Brief, welcher die Nachricht vom Tode meines Bruders enthielt, ins Wohnzimmer gebracht wurde, war mein Vater mit seiner Reise abermals bis auf einen Zirkelschlag zu just der nämlichen Station Nevers gediehen. - Mit Verlaub, Mons. Sanson, rief mein Vater, indem er die Spitze seines Zirkels durch Nevers in den Tisch stieß - und meinem Onkel Toby zunickte, nach

dem Inhalt des Briefes zu sehen, - zweimal an einem Abend von einer so lausigen Stadt wie Nevers zurückgeworfen zu werden, Mons. Sanson, das wäre für einen englischen Gentleman und seinen Sohn denn doch zuviel, - was meinst du, Toby, setzte mein Vater aufgeräumt hinzu. - Wofern es keine Garnisonsstadt ist, sagte mein Onkel Toby, — denn in dem Fall -

Ich werd' auf meine alten Tage, sagte mein Vater lächelnd bei sich, wohl doch nicht mehr klug. - So nickte er denn ein zweites Mal - und während er mit der einen Hand den Zirkel weiter in Nevers stehenließ und in der ander'n sein Poststraßenbuch hielt - lehnte er sich, halb weiterrechnend, halb horchend, mit beiden Ellbogen vornüber auf den Tisch, indes mein Onkel Toby den Brief summend überlas.

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Als Agrippina vom Tode ihres Sohnes erfuhr, da brach sie, wie uns Tacitus berichtet, ihr Geschäft jählings ab, weil sie die Heftigkeit ihres Schmerzes nicht zu mäßigen wußte — Mein Vater stach seinen Zirkel nur desto fester in Nevers ein.   - Laurence Sterne, Leben und Ansichten des Tristram Shandy, Gentleman. Übs. Michael Walter. Frankfurt am Main 2010

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