Reihenuntersuchung   Es war, als würde sich nicht nur sein Glied, sondern er selbst in Carlo auflösen. Dann stöhnte er leicht, und ganz unvermittelt zog er seinen Schwanz aus Carlos Mund. Und immer noch war der Schwanz von praller Mächtigkeit und tropfte im Mondlicht. Bevor er ging, und nachdem Carlo ihn wie für einen endgültigen, beängstigenden Abschied voller Kummer saubergemacht hatte, fühlte sich auch Gianni verpflichtet, dem, der ihn bedient und seine Gelüste befriedigt hatte, kurz und schnell über den Kopf zu fahren. Mit seinem athletischen Schritt rannte er weg zu den anderen.

Aus der Gruppe kam Pietro  herüber: Carlo erkannte ihn am blauen Arbeitsanzug. Es war einer von diesen ungeheuer weiten, dunkelblauen Arbeitsanzügen, die durch Ölflecken noch dunkler wirkten. Pietro steckte in ihm wie in einem Sack, obgleich der 'Rolladen' ganz heruntergezogen war, bis zum Schritt, und darunter konnte man das rote T-Shirt erkennen, das ebenfalls vom Fett der Autowerkstatt dunkel geworden war. Pietro kam ganz gemächlich herüber und rauchte eine Zigarette. Als er an der kleinen Stelle angekommen war, wo Carlo kniend auf ihn wartete, machte er noch ein paar hastige Züge und warf sie wie gewohnt und fast nervös weg. Er knöpfte sich die Hose unter der Arbeitskluft auf: der Haken des Reißverschlusses glitzerte genau zwischen Pietros Beinen, da, wo er jetzt naiv mit den Händen rumhantierte, um den Schwanz herauszuholen. Die Tatsache, daß er Schwierigkeiten hatte, weil der Schwanz, inzwischen fast zum Ständer angeschwollen, in einem hautengen Slip eingezwängt war (und das war der Hauptgrund für seine Schwierigkeit), der wiederum in einer Hose steckte, die wiederum in einer Arbeitskluft steckte, brachte Pietro ein bißchen in Verlegenheit: er wollte sich aber nichts anmerken lassen und stand mit zusammengezogenen Augenbrauen und blassem, abwesendem Gesicht da. Gleichzeitig aber hatte die Bewegung, die ein Junge macht, wenn er allein ist - um an einen Strauch, an eine Mauer oder jedenfalls an etwas Schützendes zu pinkeln, wie es die  Regeln xxx xxx xxx xxx empfahlen -, in ihrer Hastigkeit etwas absolut Natürliches. Tausendmal bleibt diese Bewegung verborgen, ist sie jeder profanen Neugier, jedem fremden Blick, von Männern wie von Frauen, entzogen: und jetzt, in einer so ganz anderen Situation, blieb sie sich vollkommen gleich. Carlo sah einen Zipfel des T-Shirts gegen die Haut des finster dunklen Unterleibs aufleuchten, und da endlich war der Schwanz draußen, noch zwischen den Fingern gehalten. Um ihn herauszuholen, hatte sich Pictro nach vorn gebeugt und den Unterleib zurückgeschoben: jetzt stand er aufrecht da, mit auseinandergestellten Beinen und vorgeschobenem Unterleib. Und die Tatsache, daß die Arbeitskluft ihn doppelt bekleidete, ließ die Nacktheit des hervorstehenden  Schwanzes noch nackter erscheinen. Er war einer der größten und dicksten, die Carlo an diesem Abend zu sehen bekommen hatte. Die Vorhaut zog sich nicht völlig über die Eichel zurück: nur ein Teil von ihr, lebhaft rosa und blauviolett, trat aus dem kleinen Ring gewellter Haut hervor. Doch die von der Haut bedeckte Spitze zeigte | stieß |  groß, dick und knotig nach vorn, wie eine kleine Faust. Wieder war Carlo wie hypnotisiert. Doch diesmal würde er auf keinen Fall die Kraft haben, das Spiel der Widerspenstigkeit zu wagen: Pietro war sicher weniger schön, im Sinn von umgänglich, als Gianni. Er hatte ein blasses, beinahe grünliches Gesicht: vielleicht hatte er an diesem Sommertag zu lange in geschlossenen Räumen gearbeitet. Seine Stirn war niedrig, seine Gesichtszüge insgesamt leicht unregelmäßig. In seinem Blick lag etwas Feindseliges: und auch sein Mund sah nicht aus, als könnte er lächeln. Die Haare waren voll, schwarz, staubig, durcheinander, seit langem nicht geschnitten. Carlo aber wußte, daß dieser verdrossene und etwas giftige Gesichtsausdruck mit Geilheit zu tun hatte. Die Lust zu ejakulieren äußerte sich bei diesem blassen und etwas unglücklichen Jungen auf diese Weise. All die harmlosen Gewaltübergriffe, die die anderen an Carlo verübt hatten, waren, bis jetzt jedenfalls, nichts im Vergleich zu dieser stillen Geilheit. Er war sicher, daß Pietro keine Hand heben würde, um Carlo zu zwingen, das zu tun, was er begehrte. Doch Carlo spürte Pietros Gewalttätigkeit gerade in dieser Art, unbeweglich stehenzubleiben, in einer haßerfüllten Erwartung gegenüber dem, der ihn zwang, sich in dieser Weise zu entblößen und ihn dazu noch warten ließ. Plötzlich von einem ungeheuren Appetit auf den Schwanz gepackt, so wie er es wenige Minuten .zuvor - und auf eben diese Weise - bei Gianni erlebt hatte, ließ Carlo sich nicht zweimal bitten; er beugte sich auf der Stelle zu Pietros Unterleib und nahm diese Eichel in den Mund, mit der dichten Haut, die sie überzog, und ihrem kleinen Ring in der rosigen, bläulichen Mitte wie aus einem anderen Stoff, leicht wie Seide und schon von der Feuchtigkeit des Spermas benetzt, das bereits aus dem gespannten Schlitz der kleinen Öffnung ausgetreten war. Carlo hatte gerade noch Zeit, in seinem Mund diese so von xxx prallen Formen mit der Zunge zu ertasten, und, gleichzeitig mit dem Geruch des geradezu duftenden Spermas, den Geruch von Eisen und Fett der Autowerkstatt einzuatmen, von dem dieser Schwanz durchtränkt war, als Pietro sich in seinen Mund ergoß wie vorher Gianni.  Er bewegte sich nicht, er stöhnte nicht: er gab Carlo nicht die geringste Genugtuung, wie er sich ausgedrückt hatte. Carlo, erstaunt und enttäuscht vom raschen Ende dieser Begegnung, wartete, bis die ganze, lang andauernde Ejakulation zu Ende war, wobei et versuchte, sie bis zum letzten Tropfen auszukosten, wie man das wohl nennen kann. Als Pietro fertig war, besaß er nicht die gleiche Feinfühligkeit wie Gianni: um den Schwanz aus Carlos Mund herauszuziehen, stieß er Carlo gewissermaßen nach hinten. So zurückgebeugt, vor dem aufrecht stehenden Pietro kniend, warf Carlo dem Jungen einen enttäuschten und flehenden, wenngleich auch resignierten Bück von unten herauf zu. Aber Pietro sah ihn nicht an: er betrachtete gespannt seinen Schwanz, sein bleiches Gesicht mit den Schatten von Werkstattschmutz zeigte deutliche Verstimmung. Ganz langsam machte er ihn mit den Händen sauber, wobei er ihn fest mit der Linken hielt und mit der rauhen Rechten über den offen liegenden Hautring der Eichel fuhr. Andererseits zeigte der Schwanz auch nicht die geringste Neigung zu erschlaffen. »Komm, ich mach's«, sagte Carlo; und Pietro überließ seinen Schwanz Carlos Händen. Langsam und vorsichtig machte Carlo ihn mit dem gewohnten Taschentuch sauber. Dazu nahm er sich, wie gewohnt, mehr Zeit als notwendig und küßte ihn zwischendurch einige Male. Merkwürdigerweise ließ Pietro das geduldig mit sich geschehen.  Sein Schwanz war nur wenig erschlafft und eigentlich so, wie er war, als er ihn herausgeholt hatte, aber in Carlos Händen, die ihn saubermachten, zeigte er Lust, wieder so hart zu werden wie vorher. Carlo warf Pietro einen Blick von unter her zu, dabei lächelte er scheu, so als würde er ihn bewundern; allerdings auch, um ihn auszuforschen. Pietros Gesicht war vollkommen ausdruckslos: er war konzentriert und feindselig wie immer und schaute hinunter. Da küßte Carlo ihn nicht nur wie aus Dankbarkeit, sondern er nahm ihn auch wieder in den Mund und fühlte dabei mit konzentrierter und beinahe religiöser Hingabe jene schweren, massigen Formen: die unebenen Formen der von der starken Haut überzogenen Eichel, die Zartheit des freiliegenden Teils mit dem gespannten Schlitz und seinem leichten Geruch von Sperma -dem trockenen vom Tag zuvor und dem noch frischen von jetzt -, vermischt mit dem Geruch von Fett und Metall der Autowerkstatt. Wieder begann er, seinen Mund auf und ab zu bewegen, als wäre alles erst noch zu tun. Carlo befürchtete ständig, daß Pietro ihm noch einmal einen Stoß versetzen und ihn fortschieben könnte; statt dessen legte der Junge ihm eine Hand rauh in den Nacken, danach die andere, faltete sie und zog Carlos Kopf fest an sich heran. Mit dieser Bewegung brachte er seine Zustimmung zum Ausdruck, noch einmal anzufangen, und, mehr noch als die Zustimmung, die Forderung. Als gehorchte er, machte sich Carlo gewissenhaft an die Arbeit: er jubelte, aber diesmal war er es, der sich versteckte. Je stärker ihm das Glücksgefühl das Her2 einzwängte wie eine Angst, um so gründlicher und unnachgiebiger war die Arbeit, die Pietro von ihm forderte:

S'ils n'ayment fors que pour l'argent,
On ne les ayme que pour l'heure."

So ungefähr dachte Carlo, während er damit beschäftigt war, den Jungen zu 'befriedigen': Wenn sie nur fürs Geld lieben, liebt man sie nur für die entsprechende Stunde. Doch vielleicht, dachte er voller Lust, die die andere Lust nicht verdrängte, die er in diesem Akt intensiv spürte und ihn auf keinen Fall ablenken durfte -- vielleicht stimmte das nicht. Vielleicht liebt man sie für alle Zeit. Eine Stunde ist ein Loch. Da hinein häuft man eine Zeit, die kein Später hat. Er liebte Pietro nicht nur wegen des riesigen Fleischpflocks, den er in seinem Mund hatte, glatt und hart, mit seiner gewissermaßen aus einer Schablone geschaffenen Form, obwohl sie auf so quälende Weise sie selbst war, neu, nie gesehen: mit ihrer Wärme, ihrem Geruch, ihrem Hauch von geradezu verworfener Bläue- das heißt: nicht unschuldsvoll animalisch-, die sie ausströmte. Er liebte den Jungen auch für das, was er ihm nicht gab und ihm nicht geben konnte: zum Beispiel, daß er sich nicht völlig dem Genießen überließ, ohne Nebengedanken, die nach Gründen für das Genießen suchten. Daß er nur so lange da war, wie unbedingt nötig, um jenen Genuß zu erlangen, der Jungs so wichtig erscheint und dem sie nicht widerstehen können. Daß er im Begriff stand wegzugehen, für immer zu verschwinden und alles mitzunehmen, was er gegeben hatte. Sobald dieses Stück Fleisch aus Carlos Mund gezogen und noch prall und tropfend wieder schräg in den Slip zurückgesteckt würde, in der fest zugeknöpften Hose verschlossen, würde es wieder zu dem unberührbaren und geheimnisumwitterten Ding werden, das es von Natur aus ist, auf Grund einer Entscheidung der Gesellschaft. Pietros bevorstehende Rückkehr in sein Leben war die erneute Besie-gelung  eines   Gesellschaftsvertrags.   Dort, wohin  Pietro zurückkehrte, war die Welt der Armut, die Welt der Arbeit. Daher mochte Carlo an ihm außer seinem nackten, machtvoll enthüllten Geschlecht den Eisengeruch der Werkstatt, der ihm anhaftete, das absolut unschuldsvoll Ungefähre seiner Kleidung, die Ausdruckskraft dieser Arbeitskluft, und vor allem, daß er nur kurz dort war, auf dem Sprung, wieder zu verschwinden: weil alles das, wenngleich so selbstverständlich, so bedeutungslos und so transparent, für sich genommen das Symbol für eine tiefgehende gesellschaftliche Andersartigkeit war: die Welt der anderen Klasse, die gewissermaßen die Welt eines anderen Lebens war. Das war es, was Pietro und alle anderen liebenswert machte; und ihre Liebe für Geld, auch wenn das Geld nur ein Vorwand war, leitete sich von einer ganzen Lebenshaltung, von einer ganzen Ökonomie her. Dazu gehörte es auch, daß sie keine andere Möglichkeit hatten, Dampf abzulassen - in einer ähnlichen Stunde wie dieser und im allgemeinen in ihrem gesamten Leben als arme Schlucker —, als zu einer Nutte zu gehen, die sie bezahlen. Dies waren mehr oder weniger Carlos Gedanken, der versuchte, sich so wenig wie möglich von dem unendlichen Genuß ablenken zu lassen, den er empfand, wenn er Pietros Schwanz in die Hand und in den Mund nahm - und dann kam Pietro: fast schlagartig und mit einer solchen Menge, bei der man sich nicht vorstellen konnte, daß er vor fünf Minuten erst gekommen war. Pietro empfand das gewissermaßen als Schwäche und als etwas leicht Beschämendes. Und so zog er seinen Schwanz denn auch hastig aus Carlos Mund und ließ ihn sich ungeduldig saubermachen. Er versuchte, im Gesicht kein anderes Gefühl zu zeigen als das, das man beim Abschluß irgendeiner Sache hat. Er blieb nicht einmal lange genug da, um den 'Rolladen' der Hose wieder hochzuziehen. Das machte er, als er in aller Eile zu dem kleinen Rudel seiner Freunde hinüberlief.   - Pier Paolo Pasolini, Petrolio. Berlin 1994


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