egie    Wie man Regie lernt: ein Beispiel. Als in der ersten Preview um Fräulein Julie die Szene gespielt wurde, in der Jean Julies Kanarienvogel mit einem Beil tötet - eine sehr wichtige Szene, ein indirekter Mord an ihr -, kam genau in diesem Moment ein Riesenlacher. - Zehn Minuten vor der Tragödie kriegst du einen ›false laugh‹. - Nach der Preview war die Stimmung ein bißchen gespannt. Ich sagte: »Ich weiß nicht, vielleicht ist es absurd, dieser kleine Vogel und dieses Riesen-Beil«. Deshalb nahmen wir am nächsten Tag ein ganz normales Messer. Riesenlacher: »Was ist da los?« - »Ich weiß es nicht. Vielleicht waren es blöde Leute oder sie waren auf Hasch.« -»Nein, nein, nein. Alle haben gelacht.« Ich sagte: »Vielleicht machen wir es so wie in Schweden - da werden Hühner erwürgt.« Also erwürgte er den Kanarienvogel, es war schon die öffentliche Generalprobe - und die Leute brüllten vor Lachen.

Nun gab es keine Probe mehr. Ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen. Dann habe ich gedacht: Na ja, die glauben es nicht. Die wissen, daß es eine Requisite ist. Wir brauchen einen echten Vogel. Ich rufe um zehn am Theater an, sie sollen echte Kanarienvögel beschaffen. Nun kam der Hamilton und sagte: »Ihr seid wahnsinnig, das geht nicht, der Tierschutzverein will das Theater zumachen.« Also, es war wieder eine Krise, und ich habe schließlich gesagt: »Okay, dann werden wir schummeln«. Wir hatten den echten Kanarienvogel die ganze Zeit über in der Küche, der ist herumgesprungen und die Leute haben ihn gekannt, und als dann der Vogel erwürgt wurde, hatten wir das Tier gegen eine Requisite ausgetauscht. Da war dann ein Raunen, als der Vogel umgebracht wurde.  - George Tabori, nach: Verlagswerbung Wagenbach ("Zwiebel" 2004/5)

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