Regennacht

REGENNACHT

Der Tag ist futsch. Der Himmel ist ersoffen.
Wie falsche Perlen hängen kleine Stumpen
zerhackten Lichts umher. Und machen offen
ein wenig Straße, ein paar Häuserklumpen.

Verfault ist alles sonst. Und aufgefressen
von schwarzem Nebel, der wie eine Mauer
herunterfällt und morsch ist. Und im Pressen
bröckelt wie Schutt der Regen – dichter – grauer –

Als wollte jeden Augenblick die ganze,
verseuchte Finsternis zusammensinken.
Wie eine seltsame ertrunkne Pflanze
unten im Sumpf siehst du ein Auto blinken.

Die ält’sten Huren kommen angekrochen
aus nassen Schatten – schwindsüchtige Kröten.
Dort schleicht eins. Dorten wird ein Schein erstochen.
Der Regensturz will alles übertöten …

Du aber wanderst durch die Wüsteneien.
Dein Kleid hängt schwer. Durchnäßt sind deine Schuhe.
Dein Auge ist verrückt von Gier und Schreien.
Und dieses treibt dich – und du hast nicht Ruhe:

Vielleicht erscheint inmitten düstrer Feuer
der Teufel selbst in der Gestalt des Schweines.
Vielleicht geschieht etwas ganz ungeheuer
Blödsinniges, Brutales, Hundsgemeines.

- Alfred Lichtenstein

Regennacht (2)  Nach einer Regennacht liegen die toten Frösche auf der Straße. Er hämmert sich diesen Satz ein und dämmt mit ihm die anderen Worte. Manchmal zweifelt er, ob dies unter seinen Schuhen ein Frosch oder nur zerfahrener Mist sei. Am Festtag hält der Wegmacher mit seiner Schaufel Rast; am nächsten Tag schon wird es beschwerlich sein, die getrockneten Frösche vom Asphalt abzukratzen und in den Karren zu schaufeln. Nachts sind sie zu sehen, wie sie in dem Scheinwerferlicht mit den plumpen Sprüngen, die ihnen die Natur auf den Weg mitgegeben, über die Straße hinschnellen, welche für eine Unzahl von Fröschen kein Ufer hat. Ihre Haltung, wenn sie zersprenkelt und zerdärmt hierhin und dorthin verstreut sind, ähnelt jener des Bergsteigers in einer senkrechten Wand. Der rechte Arm des Mannes ist auf vielen Bildern über den Kopf in eine Felsrinne geklammert, der linke Arm, schief zum rechten, sucht einen Halt für den in die Füße sickernden Körper; ein Bein ist angeknickt und zum Bauch aufgehoben; das andere Bein stampft frei in die Luft über dem Asphalt, den der Scheinwerfer des nahenden Autos nach dem Regen spiegelnd und abgründig macht. Die Felswand ist senkrecht; die Straße ist waagrecht. Noch hängt der Mann in der Felswand; der Atem pumpt und entpumpt den lappigen Hals; in seiner Not harkt er mit der Spitze des Schuhs einen morschen Stein aus dem Felsen, der die schlafenden Vögel erschreckt, so daß sie quäkend und krähend aus ihren Felslöchern flattern. Wenn das nächste Licht dann ihn einfängt, reckt er sich auf und brüllt den lautlosen Schrei aus dem knotigen Maul als das Zeichen, was mit ihm getan wird.  - Peter Handke, Die Hornissen. Frankfurt am Main 1977
 
 

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