eflex,
bedingter
Um 1920 kam Dr. Laszlo Jamf zu dem Schluß, daß, wenn es Watson und Rayner
gelungen war, ihrem «Baby Albert» einen Angstreflex vor allem Fellartigen, selbst
vor der Pelzboa seiner eigenen Mutter zu konditionieren,
es ihm auch möglich sein mußte, Entsprechendes mit seinem Baby Tyrone und dem
sexuellen Reflex des Säuglings zu erreichen. Jamf arbeitete damals in Harvard,
als Gastdozent aus Darmstadt. Er stand am Anfang seiner Laufbahn, vor jenem
Schwenk in die organische Chemie, der sich als ähnlich schicksalhaft erweisen
sollte wie Kekulés berühmter Wechsel von der Architektur
zur Chemie im vorigen Jahrhundert. Für sein Experiment stand ihm eine bescheidene
Beihilfe des National Research Council zur Verfügung (die im Rahmen eines psychologischen
Forschungsprogramms gewährt wurde, das noch aus dem Weltkrieg stammte, als man
Kriterien für die Auswahl von Offizieren und die Klassifizierung der Rekruten
suchte). Dieses Schmalspur-Budget war möglicherweise der Grund, warum sich Jamf
für eine Kindererektion als Zielreflex entschied. Sekretionen zu messen, wie
Pawlow es tat, hätte einen chirurgischen Eingriff erfordert. Angst zu messen,
den Reflex, den Watson gewählt hatte, hätte der Subjektivität Tür und Tor geöffnet
(was ist überhaupt Angst? Was ist «viel Angst»? Wer soll das entscheiden, mitten
im Versuch, wenn die Frage akut ist und man nicht erst den Instanzenweg zur
obersten Angstkommission gehen kann?). Es fehlte damals einfach noch an Meßgeräten,
auch der Larson-Keelersche «Lügendetektor» mit den drei Indikatoren, der noch
am meisten gebracht hatte, war erst im Versuchsstadium.
Dagegen einen Ständer, den hat der Säugling entweder, oder er hat Ihn nicht. Binär und elegant. Selbst ein Student kann mit der Beobachtung betraut werden.
Unbedingter Reiz = Massieren des Penis mit antiseptischem Verbandsmull.
Unbedingte Reaktion = Ständer.
Bedingter Reiz = X.
Bedingte Reaktion = Ständer immer dann, wenn X anwesend, Massage nicht mehr nötig, man braucht nur noch X.
Äh: X? Ja, was ist X? Was wohl? Natürlich der berühmte mystery stimulus,
der schon Generationen von behavioristischen Psychologiestudenten fasziniert
hat. Das durchschnittliche Campuswitzblatt publiziert 2,73 Textspaltenzentimeter
jährlich über dieses Thema, was ironischerweise genau der Länge entspricht,
die Jamf für die mittlere Erektion von Baby T. angibt. - Thomas Pynchon, Die Enden der Parabel. Reinbek bei
Hamburg 1981
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