echtschaffenheit   Folgende Gebräuche schreibt man den Issedonen zu. Wenn einem sein Vater stirbt, bringen alle Verwandten Vieh herbei, und dann schlachten sie es feierlich und schneiden das Fleisch in Stücke und so auch den verstorbenen Vater des Bewirtenden, und schließlich mengen sie alles Fleisch durcheinander und setzen es zum Mahl vor.

Seinen Schädel aber legen sie frei und nehmen ihn aus und vergolden ihn, und fortan behandeln sie ihn als einen heiligen Gegenstand und bringen ihm jedes Jahr große Opfer dar. Das richtet der Sohn für seinen Vater aus, wie die Hellenen die Jahresfeier für den Toten. Sonst aber sollen sie rechtschaffene Leute sein, und die Frauen haben gleich viel zu sagen wie die Männer. - (hero)

Rechtschaffenheit (2)   Madame, zwar liebe ich Sie durchaus leidenschaftlich, und Sie wissen das sehr wohl, aber da ich eine einfühlsame Seele habe, liebe ich Sie in allen Ehren. Selbst wenn Sie mir weinend und schluchzend vor Begierde zu Füßen lägen, würde es Ihnen auch nicht einen Augenblick lang gelingen, mich vergessen zu machen, daß ich Ihnen Achtung schulde, wenn ich Sie anbete. Rufen Sie sich die Mäßigkeit meines Freudentaumels in Erinnerung, als wir das letzte Mal miteinander schliefen, und die darauf folgende tiefe Zerknirschung. Was wollen Sie? Auf diese Weise war ich geläutert und erhoben, und man ändert sich ja nicht. Vor allem und immer die Reinheit der Absichten, das ist meine Lebensregel.

Genau so hat mein Vater sein Vermögen gemacht. Er ist reich geworden durch die barmherzige Praxis des Wuchererhandwerks in den Armenvierteln, ein Gewerbe, das vergeblich von den Neidern diskreditiert wird, die nichts wissen wollen von dem inneren Heldentum, das erforderlich ist, seine Operationen zu beschränken, und von dem seelischen Feingefühl, das unerläßlich ist, wenn man sein Gewissen und das der anderen in beständigem Gleichgewicht halten will. Ich mag Ihnen auch nicht von meiner verehrungswürdigcn Mutter sprechen, die sehr bekannt und über jedes Lob erhaben ist...

Ich wiederhole es, Rechtschaffenheit und Reinheit der Absichten. Das ist unser oberstes Gesetz. Tue recht und scheue niemanden. Niemand wird gezwungen. Die scheinbar frevelhaftesten Taten können gerechtfertigt erscheinen, wenn sie in allen Ehren begangen werden, mit der verborgenen, aber häufig wirksamen Absicht dahinter, in Wirklichkeit Unglücklichen zu helfen, die nicht wissen, wohin sie sich wenden sollen.

Ist das nicht Ihr Fall, reizende Freundin? Nicht mehr ganz jung, sogar schon in dem Alter, wo eine Frau gerade noch etwas anziehend ist, haben Sie der Gewalt Ihrer Begierden für einen Jüngling nicht widerstehen können, der Schulden hatte und Ihnen durch keinen anderen ersetzbar schien. Ich habe mich erweichen lassen, weil ich Herz habe, und wir haben beide eine ersprießliche Affäre gehabt, in allen Ehren. Mehr verlangen Sie bitte nicht von mir. - (bloy)

Gefühle, moralische
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