ebus Ein leerer, weißer oder sehr heller Briefumschlag, ohne Adresse, verschlossen und rot versiegelt, mit einem runden Petschaft, da es noch un-
gestochen sein mochte, die Ränder mit Wimpern (cils) umfranst, mit
einem seitlichen Henkel (anse) versehen, der zum Anfassen dienen konnte.
Ein ziemlich erbärmlicher Kalauer, dem immerhin das Objekt seine Existenz verdankte,
gab das Wort Schweigen (Silence) her, von
dem ich meinte, es könne das Objekt begleiten oder ihm als Bezeichnung dienen.
Ein auf den ersten Blick harmloses Phantasieprodukt: es steht mir frei, mir
durch seine Anfertigung die Gefühle zu verschaffen, die mir belieben, teile
sie, wer wolle. - André Breton, Die kommunizierenden Röhren. Frankfurt
am Main 1988 (zuerst 1932)
Rebus (2) Vor einigen Tagen,
als ich den »enveloppe-silence« nachzeichnete, kamen mir die ersten Zweifel
an der völligen Unschuld seiner Intention. Auch wenn ich mir zugute halten kann,
daß Zeichnen meine Stärke nicht ist, muß ich eingestehen, daß es um mein mit
dem Bleistift skizziertes Objekt ziemlich schlecht stand. Als ich es ein wenig
von der Seite ansah, schien mir sein Umriß erschreckend deutlich etwas ganz
anderes darstellen zu wollen. Dieser Henkel vor allem machte einen höchst bedenklichen
Eindruck. Die Wimpern, wie rund um ein Auge gruppiert, waren bei Lichte betrachtet
kaum weniger beunruhigend. Wider Willen kam mir der absurde Witz — woher stammt
er eigentlich? — in den Sinn, der dies Auge auf den Grund gewisser Töpfe, ausgerechnet
mit Henkel, versetzt hat. Das Wort »silence«, die Verwendung von Papier bei
der Konstruktion des Objekts, vom roten Siegel lieber zu schweigen, ergaben
in diesem Zusammenhang einen nur zu deutlichen Sinn. Verdichtung und Verschiebung,
diese Zensurmechanismen, hatten ein übriges getan. Um mich vollends zu überzeugen,
brauchte ich nur noch in der Vorstellung den gespenstischen Briefumschlag in
die Hand eines Gespensts zu versetzen, das ihn auf eine bestimmte Weise gehalten
hätte, um festzustellen, daß er da an seinem Platze war. Ich hatte alles in
allem nur eine Bestätigung dafür geliefert, daß, wie Freud
es ausdrückt, die Gespenster (ebenso wie die imaginären
Räuber, vor denen manchmal auch der erwachsene Mann sich noch fürchtet) nichts
anderes sind als in sublimierter Form die »nächtlichen Besucher, die das Kind
aus dem Schlafe geweckt haben, um es auf den Topf
zu setzen, damit es das Bett nicht nässe, oder die die Decke gehoben, um sorgsam
nachzusehen, wie es während des Schlafens die Hände hält«. Ich brauche wohl
nicht zu betonen, daß für mich derlei Erwägungen nicht im geringsten gegen die
Verbreitung von solchen Objekten sprechen, denen ich seit langem und immer wieder
das Wort geredet habe. - André Breton, Die kommunizierenden Röhren. Frankfurt
am Main 1988 (zuerst 1932)
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