Rauslassen  Wenn ich auf die ausgeleierte Möse einer Hure hinunterblicke, fühle ich die ganze Welt unter mir, eine wankende, stürzende Welt, verbraucht und kahl wie der Schädel eines Aussätzigen. Wenn es einen Menschen gäbe, der wagte, alles zu sagen, was er von dieser Welt gedacht hat, bliebe ihm kein Quadratmeter mehr, um sich darauf zu behaupten. Wenn ein Mensch erscheint, stürzt sich die Welt auf ihn und bricht ihm das Rückgrat. Immer sind zu viele morsche Säulen stehengeblieben, zuviel verfaulte Menschheit, als daß ein Mensch aufblühen könnte. Der Überbau ist eine Lüge, und das Fundament eine riesige, zitternde Angst. Wenn in Abständen von Jahrhunderten ein Mensch mit einem verzweifelten, hungrigen Blick in den Augen auftritt, ein Mensch, der die ganze Welt umwälzen würde, um ein neues Geschlecht zu schaffen, wird die Liebe, die er in die Welt mitbringt, in Bitterkeit verwandelt, und er wird zur Geißel. Wenn wir dann und wann auf Seiten stoßen, die explodieren, Seiten, die verwunden und schmerzen, die einem Seufzer, Tränen und Flüche abringen, dann sollt ihr wissen, daß sie von einem aufrechten Menschen stammen, einem Menschen, dem keine andere Verteidigung übrigbleibt als seine Worte, und seine Worte sind immer stärker als das verlogene, erdrückende Gewicht der Weh, stärker als all die Foltern und Räder, die die Feigen erfinden, um das Wunder der Persönlichkeit zu vernichten. Wenn je ein Mensch wagen würde, alles, was er auf dem Herzen hat, auszusprechen, sein wirkliches Erlebnis, alles, was wirklich seine Wahrheit ist, niederzuschreiben, dann, glaube ich, ginge die Welt in Trümmer, würde in Stücke zersprengt, und kein Gott, kein Zufall, kein Wille könnten je wieder die Stücke, die Atome, die unzerstörbaren Elemente zusammensetzen, aus denen die Welt bestand.

In den vierhundert Jahren, seitdem die letzte überwältigende Seele in Erscheinung trat, der letzte Mensch, der wußte, was Ekstase bedeutet, machte sich ein andauernder Verfall des Menschen in der Kunst, im Denken und Handeln bemerkbar. Die Welt ist ausgepumpt: kein trockener Furz Ist mehr übrig. Wer ein verzweifeltes, hungriges Auge hat, kann der die geringste Achtung vor diesen bestehenden Regierungen, Gesetzen, Richtlinien, Grundsätzen, Idealen, Ideen, To-tems und Tabus haben? Wenn irgendwer wüßte, was es bedeutete, das Rätsel dessen zu lösen, was man heute als ‹Riß› oder ‹Loch› bezeichnet, wenn ein Mensch das geringste Gefühl für das Mysterium jener Phänomene hätte, die als ‹obszön› abgestempelt sind, würde diese Welt aus den Fugen gehen. Es ist das obszöne Grauen, der trockene, ausgeleierte Aspekt der Dinge, was diese verrückte Zivilisation wie einen Krater aussehen läßt. Es ist dieser gähnende Abgrund des Nichts, den die schöpferischen Geister und die Mütter des Menschengeschlechtes zwischen ihren Beinen tragen. Wenn ein hungriger, verzweifelter Geist erscheint und die Meerschweinchen quieken läßt, dann darum, weil er weiß, wo der elektrisch geladene Draht des Geschlechtes einzusetzen ist, weil er weiß, daß unter dem harten Schutzpanzer der Gleichgültigkeit die häßlich klaffende, nie heilende Wunde verborgen ist. Und er legt den elektrisch geladenen Draht genau zwischen die Beine; er trifft untern Gürtel, brennt richtig die Eingeweide aus. Man braucht keine Gummihandschuhe anzuziehen. Alles, was kühl und vernünftig behandelt werden kann, gehört zum Schutzpanzer, und ein Mensch, der auf Schöpfung bedacht ist, greift darunter, an die offene Wunde, das schwärende, obszöne Grauen. Er bringt seinen Dynamo an die empfindlichsten Stellen; wenn nur Blut und Eiter hervorschießen, ist das schon etwas. Der trockene, ausgeleierte Krater ist obszön. Obszöner als alles andere ist Trägheit. Lästerlicher als der blutigste Fluch ist Paralyse. Wenn nur eine klaffende Wunde da ist, dann muß es hervorsprudeln, wenn sie auch nichts als Kröten und Fledermäuse und Homunculi hervorbringt. - (krebs)

 

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