Rattenjäger  Pikoi zog seinen Bogen hervor. Er spannte ihn, bis er sich von der einen Seite des Hauses zur anderen dehnte. Der Pfeil war sehr lang. Dann forderte er seinen Gegner auf, ihm die Ratten zu zeigen. Mainele konnte ihm keine zeigen. Auch der König vermochte keine im ganzen Haus zu erblicken. Pikoi schoß jedoch den Pfeil auf die Stufe ab und tötete eine Ratte, welche darunter verborgen gesessen hatte. Darauf traf er in einer anderen Ecke einen schon vom Alter gebeugten Rattengreis. Danach zielte er auf den Firstbalken und murmelte ein Lied, das er diesmal beendete mit:

»Gradeaus schwirrt der Pfeil,
Er trifft das Maul der Ratte,
Vom Auge des Pfeils bis zum Ende
Zählt man vierhundert - vierhundert!«

Der König sagte: »Schieß nur deine vierhundert, vierhundert! Mainele soll sie aufsammeln, doch wenn das Auge deines Pfeiles sich irrt, wenn es keine Ratten findet, dann mußt du sterben!« Pikoi entsandte den Pfeil, der nun am Firstbalken unter dem Dach entlangstreifte und eine Ratte nach der andern aufspießte, bis der Pfeil von einem Ende zum andern davon vollsaß - es waren Hunderte und aber Hunderte.

Jetzt erkannte der hohe Häuptling Pawaa seinen Schwager; er umarmte ihn und beklagte die ihm angetane Unbill. Er griff nach seiner Kriegskeule und ging zum Haus hinaus, um die Leute zu suchen, welche Pikoi geschlagen und ihm den Schurz abgerissen hatten. Er schlug sie ins Genick und tötete so zwanzig Menschen. Der König fragte seinen Freund, weshalb er das täte. Pawaa erwiderte: »Weil sie meinen Schwager schlecht behandelt haben - den einzigen Bruder meiner Frau, -der Schönen von Manoa<.« Der König antwortete: »Du tust recht so.«

Die Leute, welche Pikoi beleidigt und ihn mit Schmutz beworfen hatten, liefen jetzt fort und wollten sich verstecken. Sie flohen nach allen Richtungen auseinander. Pikoi faßte aber seinen Bogen, legte einen Pfeil auf und rief wieder seine Ratten-Schwestern an, Diesmal endete er mit einem Zauberspruch, der sich auf die Flüchtigen bezog:

»Triff! Schau, jetzt sind die Ratten - Menschen!
Den kleinen Mann,
Den großen Mann,
Den dünnen Mann,
Den dicken Mann,
Den bebenden Feigling.
Flieg mein Pfeil und triff!
Und kehre wieder!«

Der Pfeil durchbohrte einen fliehenden Mann, dann schwirrte er seitwärts und traf einen andern, und so sauste er hierhin und dorthin, verschonte, die dem Pikoi nichts getan hatten, und erreichte nur die, welche gefehlt hatten. Er suchte sich sein Opfer aus, gerade als ob er Augen hätte, und kehrte endlich wieder in das Tapabündel zurück. Der Pfeil erhielt den Namen >Ka pua akamai loa<, der kluge Pfeil. Viele wurden durch den klugen Pfeil bestraft. - Südsee-Märchen. Hg. Paul Hambruch. Köln Düsseldorf 1979 (Diederichs: Märchen der Weltliteratur)

 

Rattenjagd

 

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