atlosigkeit   Um auf Ihre Liebe zu kommen: es ist mir nicht bekannt, ob Sie damit das Richtige getroffen haben und wie stark Ihr Gefühl ist. Wie bei jeder Leidenschaft, die sich von Hoffnung nährt, sollten wir auch bei der Liebe immer daran denken, daß sich nicht sicher sagen läßt, wozu sie führt. Es gibt nichts, was den Verstand so leicht einlullt, wie der Gedanke, das Leben an der Seite einer liebenswürdigen Frau zu verbringen; und wenn sich alles erfüllte, wovon ein Liebender träumt, wüßte ich nicht, was sonst an Glück hienieden noch erstrebenswert wäre. Allein Liebe und Ehe sind zweierlei. Wenn es gilt, die Unbill des Lebens miteinander zu erdulden und oft um des andern willen zu leiden, verliert sich bald jene äußerliche Zärtlichkeit und die wohlmeinende Gesinnung, wie sie sich aus dem gemeinsamen Erlebnis ungetrübter Freude und fortgesetzter Lustbarkeit ergaben. Eine Frau bleibt bekanntlich nicht ewig schön, vielleicht nicht einmal tugendhaft, und der Mann kann nicht all sein Lebtag so artig und aufmerksam sein, wie zu der Zeit, da er um die Geliebte wirbt. Ich behaupte indessen nicht, herausgefunden zu haben, daß es im Leben etwas Begehrenswerteres gäbe als eine kluge und gottgefällige Ehe; somit weiß ich auch nicht, was ich Ihnen raten soll.   - (johns)

Ratlosigkeit (2)  Im April 2006 kündigte Ror Wolf in einem Interview in der taz an, sein Tonarchiv, das er bei der Arbeit zu den Radiocollagen angelegt hatte, vernichten zu wollen. "Ich muß. Wo soll es hin? Ich werde mich nicht mehr damit beschäftigen. Ich könnte es zusammen mit meinem anderen Nachlaß nach Marbach ins Deutsche Literaturarchiv geben, aber was sollen die damit machen?"  - wikipedia

Ratlosigkeit (3)   Er dachte an das rothaarige Mädchen. Sie hatte ihn ein Vermögen gekostet. Er hatte das Landhaus hier für sie eingerichtet: er hatte ihr eine Menge Geld gegeben; er hatte ihrer Mutter und verschiedenen anderen Verwandten Schecks zukommen lassen; er hatte ihr einen Wagen, einen Nerzmantel und ein Diamantarmband gekauft. Und nun saß er hier, trank sein Bier und fragte sich, weshalb, um alles auf der Welt, er das eigentlich getan hatte. - W. R. Burnett, Asphaltdschungel. München u.a. 1963

Ratlosigkeit (4)   Cicero wurde nach Astura gebracht, trieb dort ein Fahrzeug auf, ging sogleich an Bord und fuhr mit günstigem Winde an der Küste entlang bis zum Vorgebirge Circaeum. Als die Steuerleute von dort gleich weiterfahren wollten, ging Cicero, sei es aus Furcht vor der Seefahrt, sei es, weil er den Glauben an Caesar noch nicht ganz aufgegeben hatte, von Bord und reiste auf dem Landweg hundert Stadien in der Richtung auf Rom. Dann wurde er wieder schwankend, änderte seinen Plan und begab sich zum Meere hinab nach Astura. Dort verbrachte er die Nacht unter qualvollem, ausweglosem Hin- und Hersinnen, wie er denn auch auf den Gedanken kam, sich heimlich in Caesars Haus einzuschleichen, sich am Hausaltar zu erstechen und so den Rachegeist gegen ihn aufzurufen. Aber auch von diesem Wege schreckte ihn die Furcht vor Martern ab. - (plut)

Ratlosigkeit (5) Jetzt kommt die schöne Sängerin und beginnt bezaubernd zu singen. Alles lauscht hingerissen. Der gefesselte König wird von hinten auf die Bühne getragen. Das Licht wird schwächer. Da fleht die schöne Sängerin mit schmachtenden Worten um das Leben des Königs. Aber der grausame Herrscher muß sterben. Im Zuschauerraum ist es mucksmäuschenstill. Neue Kulissen torkeln hinter den Soffitten herab. Der Todesengel schlägt mit den Flügeln, und die Gruftwächter nehmen Haltung an. Das ist das Ende. - Ratlos klatschen alle. - Klaus Hoffer, Bei den Bieresch. Frankfurt am Main  1986 (zuerst 1979/1983)

Ratlosigkeit (6)  Man hat den Feuerwehrkommandanten Nüssli ausgelacht dafür, daß er mal eine vollbusige Frau aus einem brennenden Haus getragen habe, auf den Armen getragen habe wie ein kleines Kind, und dann mit ihr noch einige Minuten so vor dem Haus gestanden sei und nicht recht gewußt habe, was nun geschehen soll, wie wenn er sich überlegt hätte, ob sie ihm nun gehöre und wie er sie wieder loskriege.  - Peter Bichsel, Der Busant. Von Trinkern, Polizisten und der schönen Magelone. Darmastadt und Neuwied 1987

Ratlosigkeit (7) Der Mann, der bis dahin bewegungslos in seinem Sessel geblieben war, erhob sich jetzt in seiner ganzen Größe, wandte sich zur Grube, kletterte auf das Geländer und sprang auf das Tuch. Die Bären, die ohne Zweifel nur darauf gewartet hatten, kamen aus ihren Käfigen heraus und grüßten ihn bedächtig. Der Mann schien darüber nicht sonderlich erstaunt zu sein und begann sich auszuziehen. Als er vollständig nackt war, konnte man sehen, daß sein sorgfaltig enthaarter Körper sich unversehens mit einem dichten und wolligen Fell bedeckte, und man merkte, daß auf seinem Kopf unzählige kleine, schneeweiße Würmer herumliefen. Sie krochen auf seinen Hals, auf seinen Rücken, auf seine Beine, und bald war ein Gewimmel kleiner weißer Dinge um ihn herum, die danach trachteten, von dem Tuch wegzukommen. Eine bestimmte geometrische Figur beschäftigte den Geist des am Rande der Grube gebliebenen Mannes: Das Hypotenusenquadrat ist gleich der Summe der Quadrate der beiden anderen Seiten.

Der König von Griechenland wußte nicht, was er von dem Bild, das sich vor seinen Augen abspielte, denken sollte. Er dachte an den Buchmacher, der ihm zu Dreifaltigkeit im fünften Rennen geraten hatte, so daß er fünfzig Louis verlor.

Es blieb ihm ein einziger Ausweg: Ohne bemerkt zu werden, verließ er den Botanischen Garten. Kaum auf dem Kai angekommen, hörte er rufen: „L'Intransigeant, 3. Ausgabe!" Er kaufte die Zeitung und las:

ROM. - Seit mehreren Tagen wird in einem Krankenhaus Roms ein Mann behandelt, dessen Identität noch nicht festgestellt werden konnte und der sich König von Griechenland nennt; er sagt auch, er sei Reeder in Venedig, Er ist von der Schlafkrankheit befallen und sein Zustand ist sehr ernst.

Ein Frösteln schüttelte ihn von Kopf bis Fuß: ROM ODER PARIS?   - Benjamin Péret,  Boulevard Saint-Germain  125, in: B. P., Die Schande der Dichter. Prosa, Lyrik, Briefe. Hamburg 1985 (Edition Nautilus)

Rat, guter

 

Oberbegriffe
zurück 

.. im Thesaurus ...

weiter im Text 
Unterbegriffe

 

Verwandte Begriffe
Synonyme