- (
johns
)
Ratlosigkeit (2) Im April 2006 kündigte Ror
Wolf in einem Interview in der taz
an, sein Tonarchiv, das er bei der Arbeit zu den Radiocollagen angelegt
hatte, vernichten zu wollen. "Ich muß. Wo soll es hin? Ich werde mich
nicht mehr damit beschäftigen. Ich könnte es zusammen mit meinem
anderen Nachlaß nach Marbach ins Deutsche Literaturarchiv geben, aber
was sollen die damit machen?" -
wikipedia
- W. R. Burnett, Asphaltdschungel. München u.a. 1963
Ratlosigkeit (4) Cicero wurde nach
Astura gebracht, trieb dort ein Fahrzeug auf, ging sogleich an Bord und fuhr
mit günstigem Winde an der Küste entlang bis zum Vorgebirge Circaeum. Als die
Steuerleute von dort gleich weiterfahren wollten, ging Cicero, sei es aus Furcht
vor der Seefahrt, sei es, weil er den Glauben an Caesar noch nicht ganz aufgegeben
hatte, von Bord und reiste auf dem Landweg hundert Stadien in der Richtung auf
Rom. Dann wurde er wieder schwankend, änderte seinen Plan und begab sich zum
Meere hinab nach Astura. Dort verbrachte er die Nacht unter qualvollem, ausweglosem
Hin- und Hersinnen, wie er denn auch auf den Gedanken kam, sich heimlich in
Caesars Haus einzuschleichen, sich am Hausaltar zu
erstechen und so den Rachegeist gegen ihn aufzurufen. Aber auch von diesem Wege
schreckte ihn die Furcht vor Martern ab. - (
plut
)
Ratlosigkeit (5) Jetzt kommt die schöne Sängerin und
beginnt bezaubernd zu singen. Alles lauscht hingerissen. Der gefesselte König
wird von hinten auf die Bühne getragen. Das Licht wird schwächer. Da fleht die
schöne Sängerin mit schmachtenden Worten um das Leben des Königs. Aber der grausame
Herrscher muß sterben. Im Zuschauerraum ist es mucksmäuschenstill. Neue Kulissen
torkeln hinter den Soffitten herab. Der Todesengel schlägt mit den Flügeln,
und die Gruftwächter nehmen Haltung an. Das ist das Ende. - Ratlos klatschen
alle. - Klaus Hoffer, Bei den Bieresch. Frankfurt
am Main 1986 (zuerst 1979/1983)
Ratlosigkeit (6) Man hat den Feuerwehrkommandanten
Nüssli ausgelacht dafür, daß er mal eine vollbusige Frau aus einem brennenden
Haus getragen habe, auf den Armen getragen habe wie ein kleines Kind, und dann
mit ihr noch einige Minuten so vor dem Haus gestanden sei und nicht recht gewußt
habe, was nun geschehen soll, wie wenn er sich überlegt hätte, ob sie ihm nun
gehöre und wie er sie wieder loskriege. - Peter Bichsel, Der Busant. Von Trinkern, Polizisten und der schönen
Magelone. Darmastadt und Neuwied 1987
Ratlosigkeit (7) Der Mann, der bis dahin bewegungslos in seinem Sessel geblieben war, erhob sich jetzt in seiner ganzen Größe, wandte sich zur Grube, kletterte auf das Geländer und sprang auf das Tuch. Die Bären, die ohne Zweifel nur darauf gewartet hatten, kamen aus ihren Käfigen heraus und grüßten ihn bedächtig. Der Mann schien darüber nicht sonderlich erstaunt zu sein und begann sich auszuziehen. Als er vollständig nackt war, konnte man sehen, daß sein sorgfaltig enthaarter Körper sich unversehens mit einem dichten und wolligen Fell bedeckte, und man merkte, daß auf seinem Kopf unzählige kleine, schneeweiße Würmer herumliefen. Sie krochen auf seinen Hals, auf seinen Rücken, auf seine Beine, und bald war ein Gewimmel kleiner weißer Dinge um ihn herum, die danach trachteten, von dem Tuch wegzukommen. Eine bestimmte geometrische Figur beschäftigte den Geist des am Rande der Grube gebliebenen Mannes: Das Hypotenusenquadrat ist gleich der Summe der Quadrate der beiden anderen Seiten.
Der König von Griechenland wußte nicht, was er von dem Bild, das sich vor seinen Augen abspielte, denken sollte. Er dachte an den Buchmacher, der ihm zu Dreifaltigkeit im fünften Rennen geraten hatte, so daß er fünfzig Louis verlor.
Es blieb ihm ein einziger Ausweg: Ohne bemerkt zu werden, verließ er den Botanischen Garten. Kaum auf dem Kai angekommen, hörte er rufen: „L'Intransigeant, 3. Ausgabe!" Er kaufte die Zeitung und las:
ROM. - Seit mehreren Tagen wird in einem Krankenhaus Roms ein Mann behandelt, dessen Identität noch nicht festgestellt werden konnte und der sich König von Griechenland nennt; er sagt auch, er sei Reeder in Venedig, Er ist von der Schlafkrankheit befallen und sein Zustand ist sehr ernst.
Ein Frösteln schüttelte ihn von Kopf bis Fuß: ROM ODER PARIS?
- Benjamin Péret, Boulevard Saint-Germain 125, in: B. P., Die Schande der Dichter.
Prosa, Lyrik, Briefe. Hamburg 1985 (Edition Nautilus)
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