athaus
Ich habe mich manchmal gefragt, ob es vielleicht nicht umgekehrt ist: daß nur
diejenigen als Pfleger, als Ärzte in Irrenanstalten
gehen, die ohnehin schon einen Vogel haben, um volkstümlich zu reden. Mit dem
Unterschied, daß die Leute, die den Drang verspüren, in Mattos Reich einzudringen,
wissen, daß etwas bei ihnen nicht stimmt, unbewußt meinetwegen, aber sie wissen
es. Es ist eine Flucht. .. Die andern draußen haben manchmal die ausgewachseneren
Vögel, aber sie wissen es nicht, nicht einmal unbewußt. . . Denken Sie, ich
bin einmal um die Mittagszeit am Rathaus vorbeigegangen und habe die Angestellten
herausströmen sehen. Ich bin stehengeblieben und habe mir die Leute angesehen
... Es war lehrreich . .. Gang, Haltung. Der eine hatte den Daumen im Westenausschnitt
und ging mit schlenkernden Tritten, sein Gesicht war rot und steif, und ein
einfältiges Lächeln lag auf seinem Gesicht. .. Sieh da! sagte ich, eine beginnende
Katatonie! .. . und versuchte auszurechnen, wann etwa der Schub fällig sein
würde. — Ein anderer hatte starre Blicke, sah sich ständig um, dann blickte
er wieder eine Zeitlang zu Boden und balancierte vorsichtig auf dem Trottoirrand
.. . Neurotisch, viel-leicht schizoid, dachte ich ... Ein anderer trug eines
jener Lächeln im Gesicht, die man als sonnig zu bezeichnen pflegt, er hatte
den Kopf im Nacken, schlenkerte mit dem Stock, grüßte alle Leute .. . Natürlich:
manische Verstimmung. - Friedrich
Glauser, Matto regiert. In: F. G.: Kriminalromane. Berlin 1990 (zuerst
ca. 1936)
Rathaus (2)
Selbstmorde im Leipziger Rathaus, April 1945
|
||
|
||