asieren
»Ich befahl dem Mädchen, sich zu meinem Vater mit der Meldung zu begeben,
daß wir auf ihn am Frühstückstische warteten«, berichtete Kenneth Glenn. »Kaum
eine Minute verstrich, da hörten wir das Mädchen im Zimmer meines Vaters fürchterlich
aufschreien. Natürlich eilte ich sofort dorthin. Unterwegs traf ich mit dem
Hausmädchen zusammen, welches laut aufschluchzte. Doch umsonst befragte ich
sie nach dem Grund ihrer Aufregung; sie deutete nur nach der geschlossenen Schlafzimmertür
meines Vaters. Als ich in begreiflicher Unruhe diese öffnete, sah ich meinen
Vater auf dem Boden liegen, ein Rasiermesser in der Rechten, aus einer tiefen
Halswunde blutend.
Der junge Mann schwieg, wie überwältigt von seinen Gefühlen, und hielt die Hand vor die Augen.
»Well, Mr. Glenn«, meinte Nick Carter, nachdem er zartfühlend seinem Besucher Zeit zur Erholung gegeben, »nach Ihrer Angabe liegt Selbstmord vor — Sie sprachen von einem Rasiermesser —«
»Gewiß, mein Vater muß während des Rasierens vom Tod ereilt
worden sein. Auf seinen Wangen befand sich noch Seifenschaum
und sein Besteck lag offen auf dem Ankleidetisch.
Um den Hals hatte er nach seiner Gewohnheit eine Serviette gebunden — und dennoch
ist es nicht Selbstmord, Mr. Carter!« setzte er
aufstöhnend hinzu. Auf dem Teppich lag ein blutbeflecktes Beil. Mein armer Vater
ist von rückwärts heimtückisch niedergeschlagen, und zwar sind mindestens zwei
Streiche gegen ihn geführt worden — einer nach dem Halse. Der andere nach dem
Hinterkopf gezielte hat den ganzen Schädel zerschmettert.« - Ein
Dynamit-Attentat, aus: Die großen
Detektiv
e,
Bd. 2. Hg. Werner Berthel, Frankfurt am Main 1980, it 368)
Rasieren (2)
Beim leckern, reichen Mahl, wo doch die Speise Aus seinem Buche hatt' Astolf erfahren Astolf fühlt' innerlich ein Siegsfrohlocken, Und sie gewähren gern ihm sein Verlangen, Er schlägt die Faust mitsamt der Keule nieder, Nach tausend Hieben glückt' ein Hieb am Ende, Der arme Narr, der nicht den Fall erkannte, Daß er noch Fersen hatte, war dem Tropfe Doch zeigt sich unter den unzähl'gen Haaren Der Herzog hält den Kopf am Nasenbeine, |
- (
rol
)
Rasieren (3)
Als Vorsichtsmaßregel ist zu beobachten, daß die Haare
von jedem Teile des Körpers abrasiert werden; und dabei gilt derselbe Grund,
wie oben für das Ausziehen der Kleider. Sie haben nämlich bisweilen zur Erzielung
der Hexenkunst der Verschwiegenheit irgend welche
abergläubige Amulette von gewissen Dingen, sei es in den Kleidern, sei es in
den Haaren des Körpers, und bisweilen an den geheimsten, nicht namhaft zu machenden
Orten. -
Jakob Sprenger, Heinrich Institoris, Der Hexenhammer. München 1985 (dtv klassik,
zuerst 1487)
Rasieren (4) Vor dem Spiegel stehend, die mageren, eingeseiften Wangen mit dem Rasiermesser bearbeitend, dachte er: «Wie widerwärtig das Leben! Wie überflüssig! Jeden Morgen aufstehen, sich die Schuhe anziehen, sich rasieren, Leute sehen, mit ihnen reden, die Zeiger der Uhr verfolgen, die unermüdlich immer zu denselben Punkten zurückkehren, wo wir sie Millionen Male gesehen haben. Essen. Stücke von Leichen essen, gestorbene Früchte verspeisen, ja, schlimmer noch, durch Kochen entstellte Dinge; die herrlichen Früchte abbrechen^ um sie durch unsern Körper zu treiben und in Dung zu verwandeln. Tote Dinge zu verspeisen, in der Erwartung, daß wir selbst ein totes Ding sein werden. Neue Dinge schaffen, um sie dann zu benutzen und wieder zu vernichten, damit aus ihrer Zerstörung wiederum Neues sich erhebt. Alles, was uns umgibt, ist tot; hier und da ist irgendeine lebendige Probe vorhanden, aber alles übrige ist tot: die Wolle meines Rocks ist tot, die Perle, die den Hals einer jungen Frau ziert, ist der Totenschrein eines Wurms... Den Frauen zulächeln zu müssen, sich anstrengen, um sich ein wenig von der Masse zu unterscheiden. Und dennoch, auch wir, die wir anders zu sein versuchen als die anderen und weite Umwege machen, um nicht die landläufige Straße einzuschlagen, finden uns schließlich an demselben Punkt, wo die Mittelmäßigen anlangen, die den Weg auf ausgetretenen Pfaden zurücklegten. Das Leben ist ein Bogen von A nach B. Es ist keine ebene Strecke, außer für die Totgeborenen oder für Kretins von Geburt an. Für etwas intelligente Menschen ist die Steigung leicht; für die Hochintelligenten ist der Weg am steilsten; für die Einfachen ist der Pfad fast geradlinig: sie gelangen über einen sanften Hügel nach B. Die Gehirnmenschen, die Exzentrischen, die Bizarren, die etwas Neues suchen, etwas Gepfeffertes, etwas, das abseits liegt vom Normalen, gelangen langsamer zwar, aber mit unheimlicher Sicherheit gleichfalls zu jenem Punkt, zu dem ohne weiteres, ohne zu zögern, die kleinen Leute ihre Schritte lenken. Der einzige Unterschied zwischen dem einfachen und dem exzentrischen Menschen ist die Steigung des Weges. Wer die Ehe verspottet hat, endet eines Tages damit, nachdem er gesättigt ist von Freiheit und Abenteuern, denjenigen zu beneiden, der früh eine Gattin gewählt und Kinder in die Welt gesetzt hat; wer ein Leben voller unvorhergesehener Abenteuer , geführt hat, abwechselnd zwischen Armut und Reichtum, Überfluß und Hunger, wird eines schönen Tages bedauern, daß er nicht Beamter geworden ist.
Ich glaube, daß die große Schauspielerin im Grunde die gute Ehefrau beneidet, die ihre vielen Würmer wäscht und klapst; ich glaube, daß der große Politiker, der Geschichte macht, bedauert, . nicht Schulmeister auf dem Lande oder Stationsvorsteher zu sein.
Vollkommen ist nur die Mittelmäßigkeit.
Vollkommen ist der Buchhalter, der sich einen Tag um den andern rasiert, zweiter
Klasse reist, eifrig nach dem Fegefeuer trachtet; ihm genügt eine Mitgift von
fünfzigtausend Lire, er wohnt im dritten Stock, war Unteroffizier, trägt Röllchen
anstatt der Hemdmanschetten und an den Manschetten silberne, vergoldete Knöpfe.
- Pitigrilli, Kokain. Reinbek bei Hamburg
1988 (rororo 12225, zuerst 1922)
Rasieren (5) Vampire sind nicht wählerisch hinsichtlich ihrer Objekte. Am ersten Morgen seines Aufenthaltes auf Schloß Dracula schneidet sich Jonathan Harker beim Rasieren, worauf die Augen des Grafen vor Oral-Sadismus aufleuchten. Er will unvermittelt zugreifen, kann sich aber gerade noch zurückhalten. In der Nacht, als sich Draculas Töchter, allesamt selbst Vampire, in Jonathans Schlafzimmer versammeln, tritt die plane sexuelle Herkunft der Phantasievorstellungen, die mit dem Aberglauben einhergehen, offen hervor.
»Er ist jung und stark; das gibt Küsse für uns alle.«
Ich lag still und blinzelte nur unter meinen Lidern hervor, halb in Todesangst,
halb in wonniger Erwartung. Das schöne Weib kam heran und beugte sich über mich,
bis ich ihren Atem fühlte.
Ich schloß die Augen in schlaffer Verzückung
und wartete — - - wartete mit bangem Herzen.
- Maurice
Richardson / Bram Stoker, nach: Der Rabe, Magazin für jede Art
Literatur Nr. 37, Zürich 1993
Rasieren (7)
Ich rasiere mich normalerweise jeden Morgen und wechsle für gewöhnlich
die Klinge m meinem Rasierapparat nach jeder zweiten Rasur; hin und
wieder überschlage ich aber versehentlich einen Tag, niuß dann am
nächsten Tag einen gewaltigen Wuchs geräuschvoller Borsten abschaben,
deren hartnäckige Gegenwart von meinen Fingern wieder und wieder
zwischen den Strichen ertastet wird, und in solchen Fällen benutze ich
die Klinge nur einmal. Wenn ich mir nun eine erst kürzlich erfolgte
Reihe von Rasuren vergegenwärtige, lasse ich das Element der
Aufeinanderfolge außer acht: was ich wissen möchte, ist allein, ob die
Klinge, die m meinem silbernen Pflug steckt, ihre Arbeit ein- oder
zweimal getan hat; wenn es einmal war, hat die Reihenfolge in meinem
Gedächtnis der zwei Tage, an denen die Stoppeln wachsen, keine
Bedeutung - in der Tat neige ich dazu, den zweiten, kratzigeren Morgen
zuerst zu hören und zu fühlen und dann erst den rasurlosen Tag
dazuzutun, was zur Folge hat, daß mein Bart umgekehrt wächst,
gewissermaßen. - (ada)
![]() ![]() |
||
![]() |
||
![]() |
![]() |
|
![]() |
||
![]() ![]() ![]() |
||
![]() ![]() |
![]() ![]() |