Rappel   Zeit bedeutete mir nichts. Mochte auch gerade eine Grippewelle ausgebrochen sein und Tag und Nacht wie wahnsinnig das Telefon läuten und ich keine freie Sekunde haben - das spielte keine Rolle. Wenn ich meinen Rappel hatte, wenn irgendeine Bemerkung von Stieglitz oder Kenneth über Nacht in mir fortwucherte und gebieterisch ihre Entbindung heischte - dann war ich wie eine Frau, die in den Wehen liegt; was auch immer sonst noch anstehen mochte, ich mußte diesem Drängen nachgeben.

Fünf Minuten, zehn Minuten lassen sich immer finden. Meine Schreibmaschine befand sich im Schreibtisch meiner Praxis. Ich brauchte nur die Platte, auf der sie befestigt war, hochzuziehen, und schon konnte ich anfangen. Ich arbeitete mit höchster Geschwindigkeit. Kam, während ich gerade mitten in einem Satz war, ein Patient herein - schwupp, war die Maschine versenkt, und ich war wieder Arzt. Kaum war der Patient gegangen, tauchte wieder die Maschine auf. Mein Kopf hatte eine gewisse Technik entwickelt: in mir wuchs etwas, und das wollte geerntet werden. Das mußte erledigt werden. Wenn dann endlich nach elf Uhr abends der letzte Patient zu Bett geschickt worden war, blieb mir immer noch Zeit genug, zehn oder zwölf Seiten in die Maschine zu hämmern. Ruhe konnte ich ohnehin erst finden, wenn ich meinen Kopf von den Zwangsvorstellungen befreit hatte, die mich den ganzen Tag gepeinigt hatten. Durchs Schreiben von dieser Pein erlöst, konnte ich mich schlafen legen.   - (wcwa)

Anfall

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