Rand   In Abständen sucht mich ein Bild heim, das ich wohl im Zug aufgeschnappt habe, der mich von Bergen nach Oslo zurückbrachte, und zwar wahrscheinlich dort, wo die Strecke zwei- oder dreimal kurz den Sörfjord verläßt, bevor sie wieder an ihm entlangfährt. Ein Schlitz in der Fjordwand, kaum sechzig Meter breit, das grüne Taschentuch eines Stücks Wiese am Ufer der Bucht, auf dem sich das Wasser eines Wildbachs in einem winzigen Delta verläuft: auf allen Seiten rings um diese ummauerte Kerbe erhebt sich der Kerker der hohen, senkrechten, unten mit Tannen bestandenen Wände, die oben in der herabgesenkten Wolkendecke verschwimmen - und da steht ganz allein auf dem Gras bei den Tannen mit dem Rücken zum Felsen und mit dem Blick aufs Meer ein Holzhäuschen.

Mehrere Dinge gibt es in diesem Bild. Die Einsamkeit. Oder vielmehr eine bestimmte Einsamkeit. Nicht die Einöde: die Annehmlichkeiten einer Großstadt sind da, weniger als hundert Kilometer entfernt, und man kann sich vorstellen, daß der Bäcker noch einmal pro Woche vorbeikommt und ab und zu der Arzt und der Pastor. Und doch ist es bereits der Rand der Einöde, der Beginn des Gefälles. Die weitläufige, opake Stille, die sich nicht vertreiben läßt und einen verschlingt wie ein Wald. - (grac2)

 

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