äuberpredigt  Der bekannte Straßenräuber Whitney, der Fleischhauer, traf in der Grafschaft Kent Herrn Warren an, welcher einige Jahre bei der Kirche zu Greenwich Vesper-Prediger gewesen war, da setzte er ne-benst seinen Raub-Gesellen auf diesen Herrn los und plünderte ihn. Hierauf sagte Whitney, er habe in langer Zeit keine Predigt gehöret, sintemal er der Kirche auf ewig gute Nacht gegeben; es wäre demnach sein inständiges Verlangen, der Prediger möchte belieben, ihn hierselbst mit einer zu beehren. Herr Warren, welcher sah, daß er und seine Gesellen resolut bei ihrer Kurzweil waren, und besorgen mußte, sie dürften ihm Schaden zufügen, falls er ihnen ihr Begehr abschlüge, zumal er sich in einem sehr Übeln Orte befände, fing an, ihnen auf folgende Weise ein Genügen zu leisten.

Ihr Herren! mein Text ist THEFT (Raub oder Diebstahl): Und da derselbe nicht in Verse und Silben eingeteilet werden kann, angesehn er nur aus einem Wort, und zwar einem einsilbigen, bestehet, so verbindet mich die Notwendigkeit, denselben in Buchstaben abzuteilen, welche ich diese zu sein befinde: T, H, E, F, T. Nun, meine Geliebten! T ist Theologisch; H ist Historisch; E Exegetisch, F Figürlich; und T Tropisch. Der Theologische Teil meines Textes gründet sich auf die Wirkungen, so er herfürbringet, welche ich von zweierlei Gattung zu sein befinde: Die erste in dieser Welt; die andere in der zukünftigen. Die Wirkungen, so er in dieser Welt herfürbringet, sind T, Tribulation (Trübsal), H, Hatred (Haß), E, Envy (Mißgunst), F, Fear (Furcht), und T, Torment (Tortur und Marter): Denn was kann doch einem Menschen vor größere Trübsal widerfahren, als wenn er, der angenehmen Freiheit beraubt, leben und sich in ein stinkendes Gefängnis einsperren lassen muß? Dieses muß notwendig eine vollkommene Repräsentation der Eisernen Zeit sein, weil man daselbsten nichts höret als das Getöse der Fesseln, Riegel, Gatter und Schlüssel, welches einen so großen Lärm machet als der Wetterhahn auf dem St.-Peters-Turm in Cornhill. Jedennoch muß ich zugeben, daß ihr Straßenräuber, solange ihr euch unter dieser Trübsal befindet, vor eine Art der Christen passieren könnet, sintemal ihr gewissermaßen Märtyrer seid und wirklich und in der Tat um der Wahrheit willen leidet. Ferner habt ihr den Haß aller ehrlichen Leute auf euch, wie auch die Mißgunst der Kerkermeister, wenn ihr euch ohne Geld in euern Schubsäcken unter ihre Botmäßigkeit begebet. Ich bin versichert, daß allen von eurer Profession mehr als zu wohl bekannt ist, welchergestalt mancher Stockmeister nicht allein Geld aus euren Bubenstücken zu destillieren, sondern sich von euerm Fluchen und Schwören zu mästen hoffet, und dahero sind deren Ohren vor dem Schreien anderer verstopfet, und sie haben Räson dazu: Denn lege das Leben eines Menschen in eine Waagschale und seine Einkünfte in die andere, so wirst du befinden, daß er gern das erste verlieret, wenn er nur die letztern erhalten kann. Benebst seid ihr allzeit in so großer Furcht, ergriffen zu werden, als ein Kaufmann, der viel schuldig ist, vor den Schergen; welcher auch vermummet geht wie ein Dieb und allzeit die Wahrzeichen eines solchen mit sich herumträgt, denn er bestiehlt die Leute verzagterweise, bezupfet sie, wo er weiß und kann, und hält sie so lange auf, bis er ihnen den Beutel gefeget. Alleine nur hierinnen sind sie voneinander unterschieden, daß der Dieb beherzter ist und ein ehrlicher Mann noch unerschrockener als sie alle beide. Und wenn ihr alsdann ergriffen werdet, so folget nichts als Tortur und Marter darauf; denn wenn ihr einmal im Kerker eingesperret seid, wie ich vorher angemerket, so kommt ihr bald hernach unter des Henkers Klauen, da hänget er euch wie lauter Hunde auf, bloß deswegen, daß ihr euch dieser bestürzenden Worte bedienet: Stehe und gib her! weil die Wirkung, so Rauberei und Dieberei in der zukünftigen Welt herfürbringet, mit der andern nicht einerlei Bewandtnis hat, indem jene zeitlich, diese aber ewig ist: Also will ich zu dem Historischen Teile meines Textes fortgehen und aus der Profan-Historie beweisen, daß die Kunst, zu rauben und stehlen, sich auf einiges Altertum gründet. Paris entführte Helena; Theseus stahl Ariadne, und Jason raubete Medea. Alleine das Altertum kann den Lastern das Wort nicht reden, sintemal sowohl göttliche wie menschliche Gesetze böse Taten, insonderheit Rauberei und Dieberei, nachdrücklich untersagen: Denn die Historie unterrichtet uns gleichergestalt, daß zum Exempel Skiron der Dieberei wegen, so lang als er war, in das Meer gestürzet worden; Cacus wurde von dem Herkules getötet; Sisyphus in Stücke zerhauen; Brunellus, weil er des Angelicus seinen Ring gestohlen, aufgehangen; und Kaiser Friedrich der Dritte verdammte alle Diebe auf die Galeeren.

Der Exegetische Teil meines Textes ist eine Art von einer Erklärung dessen, was ich soeben erst gesagt habe, nämlich daß eure Übertretungen sowohl der göttlichen als menschlichen Ordnung zuwider sind, als welche beide mit allen Arten des Diebstahls streiten. Wenn ihr demnach entschlossen seid, diesen Lebenswandel also fortzusetzen, so wisset, daß, ungeachtet ihr mich beraubet, meine Liebe dennoch so groß gegen euch ist, daß, wofern ihr euch nur in Acht nehmen könnet, erwischet zu werden, ich euch jederzeit vom Strange zu erretten suchen werde.

Der Figürliche Teil meines Textes soll dartun, daß, ob ich euch schon Herren nenne, ich euch dennoch in meinem Herzen alle vor Schelme und Spitzbuben halte; aber ich zäume nur meinen Zorn durch einen Euphemismus, welches eine Figur oder Redensart ist, so harte Sachen unter angenehmen Worten vortraget. Also gab ein gewisser Mensch, als er vor Alexander den Großen, König von Mazedonien, gebracht und befragt ward, warum er und seine Gesellschaft übel von dem König gesprochen, diese Antwort: Hätte nicht der Wein gefehlt, wir hätten viel ärger geredet! Wodurch er andeuten wollte, daß diese Worte mehr von Wein als Bosheit hergerühret, kraft welchen freien und kurzweiligen Bekenntnisses er des Alexanders große Ungnade besänftiget und Vergebung erhalten. Aber auch auf den Tropischen Teil meines Textes zu kommen, welcher darinnen bestehet, daß man ein Wort von seiner eigentlichen und rechten Bedeutung auf einen andern Verstand lenket, als wenn ich euch die berühmtesten Straßenräuber nenne, so bitte, mir aufmerksame Ohren zu schenken und die Ermahnung St. Pauls, des Apostels, anzunehmen: Wer gestohlen hat, der stehle nicht mehr! Sonst zielen die Buchstaben meines Textes auf einen tragischen und traurigen Ausgang; denn T, Take care (nimm dich in acht) H, Hanging (vor dem Henken) E, Ends not (damit sich nicht endiget) F, Felony (die Spitzbüberei) T, at Tyburn (zu Tyburn am Galgen.) - (spitz)

 

Räuber Strafpredigt

 

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