Räuber, edler   Erstens beginnt der »edle« Räuber seine Banditenkarriere nicht mit einem Verbrechen, sondern als das Opfer einer Ungerechtigkeit, oder weil ihn die Obrigkeit für eine Tat verfolgt, die zwar von den Behörden als verbrecherisch angesehen wird, nicht jedoch dem Brauchtum seines Volkes widerspricht.

Zweitens macht der »edle« Räuber »begangenes Unrecht wieder gut«.

Drittens »nimmt er von den Reichen, um die Armen zu beschenken«.

Viertens »tötet er nur zur Selbstverteidigung oder in berechtigter Rache«.

Fünftens kehrt er, falls er überlebt, als ehrenwerter Bürger und als Mitglied der Gemeinschaft wieder zu den Seinen zurück; eigentlich verläßt er die Gemeinschaft niemals wirklich.

Sechstens bringt ihm sein Volk Bewunderung, Hilfe und Unterstützung entgegen.

Siebtens ist sein  Tod stets und ausschließlich die  Folge eines Verrates,  denn  kein  anständiges  Mitglied  der  Gemeinde würde je der Obrigkeit gegen ihn beistehen.

Achtens ist er - zumindest theoretisch - unsichtbar und unverwundbar.

Neuntens ist er nicht ein Feind von König oder Kaiser, der ein Hort der Gerechtigkeit ist, sondern bloß Gegner des lokalen Junkertums, der Geistlichkeit oder sonstiger Unterdrücker.

In der Tat wird das Bild des »edlen« Räubers, sofern es nicht bloß Wunschbild ist, sondern eine Realität repräsentiert, von den Tatsachen weitgehend bestätigt. Gemäß der überwiegenden Mehrheit überlieferter Falle beginnen die Sozialrebellen ihre Laufbahn mit einem Zwist, welcher gar nicht kriminell ist: ein Ehrenhandel oder eine Angelegenheit, wo sie nach eigener Ansicht und nach Meinung ihrer Nachbarn Opfer einer Ungerechtigkeit sind (wobei es sich vielleicht bloß um die automatische Konsequenz einer Auseinandersetzung handelt, in die einer der Armen und einer von jenen, die über Reichtum und Einfluß verfügen, verwickelt sind). Angelo Duca oder »Angiolillo« (1760-84), ein neapolitanischer Bandit aus dem 18. Jahrhundert, wurde zum Banditen, weil er mit einem Flurhüter des Herzogs von Martina über verirrtes Vieh in Streit geriet; Pancho Villa rächte in Mexiko die Ehre seiner Schwester und trat gegen einen Landbesitzer auf; Labarêda wurde in eine Fehde verwickelt, bei der es um die Familienehre ging, wie dies bei fast allen brasilianischen cangaceiros der Fall war; Giuliano leistete als junger Schmuggler - ein Beruf, der in Berggegenden so ehrenhaft wie nur irgendein anderer ist - einem Zollbeamten Widerstand, weil er zu arm war, ihn zu bestechen.   - (hob)

 

Räuber

 

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