Radiogeschichte    Bevor meine Mutter ihren Wohnsitz im grünen Glas aufschlug, war sie in einem alten Rundfunkgerät untergebracht, das abwechselnd die »Cavalleria rusticana« und »Häusliche Mitteilungen« übertrug. Die Häuslichen Mitteilungen sind heute nicht mehr so sehr in Mode, aber damals waren sie eine Neuigkeit, und die Leute, der planetarischen Mißgeschicke überdrüssig, ergötzten sich ein paar Jahrhunderte lang an Nachrichten wie: »Giuseppe trägt eine neue Krawatte« oder »Maria wird Luigi nicht heiraten, weil...« (hier folgte ein minutiöser Bericht, der oft stunden-, ja tagelang dauerte). Es gab mehrere Programme der Häuslichen Mitteilungen: Eines verfolgte Agonien, ein anderes bereitete Verkehrsunfälle vor (eine besonders beliebte Sendung wegen des ohrenbetäubenden Gescheppers und des Gebrülls der Sterbenden); weitere behandelten das Problem »Liebe als Zuneigung oder Sex« (mit der Übertragung endloser Beischlaf-Szenen); wieder andere schließlich brachten »Gemischtes vom Tage«, mit Nachrichten wie etwa der von Giuseppes neuer Krawatte. Ein emsiger Reporter entdeckte eines Tages die Sache mit den bemalten Genitalien meines Vaters. - Giorgio Manganelli, Unschluß. Berlin 1978 

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