adio  Ich kann dänische nachrichten nimmer ausstehen. Ich schalte auf Prag um, anständiges böhmisch und so ... das böhmische geht mir auch auf die nerven. Ich drehe auf Monte Carlo ... Richard Anthony ist ein idiot. Ich schalte auf Hilversum ... die holländischen st. paulischnulzen sind noch gemütvoller als die deutschen. Ich drehe auf Wien... mir vergeht das heimweh vollends. Ich erwische den Deutschlandsender und stürze kopfheister in eine Protestkundgebung gegen die Verhaftung deutschdemokratischrepublikanischer zeitungsleute irgendwo im Rheinland. London... ich höre ein unterhausmitglied über sexprobleme schwafeln ... Ich greife endlich nach meinem schäferischen spazierstock und prügle das dumme radio windelweich!

 Man müßte alle schlagertextdichter und dichterinnen mit mittleren brunnröhren schänden ...

Ich möchte auf der stelle zu den Indiens Delawares, howgh, zu den Indiens Caddos, howgh, zu den Indiens Osage, howgh! Auf der stelle, sage ich! - (hca)

Radio (2)  Der Discjockey ging dazwischen. »Das war Johnny Adams aus New Orleans. Mit einem neuen Stück von Doc Pomus, ›A World I Never Made‹. Ihr kennt doch alle noch Doc Pomus, der uns ›Save the Last Dance for Me‹, ›Little Sister‹ und so viele andere Monsterhits beschert hat. Doc ist einer der größten Blueser der Welt. Hier nun die Rückseite. Drauf und dreckig. Wie's heute keiner mehr macht.«

Aufrüttelnd softes Piano, schneidende, gewundene Gitarrenfiguren obenauf tanzend. Johnny Adams, der seine Versprechen machte, mit seiner Protzerei protzte. »Ich bin dein Lack- und Spachtelmann, ich hämmer die Dellen raus.« Für den Fall, daß irgendein Zuhörer Rhabarbersirup in den Ohren hatte, sprach er es aus:

I don't care if your body's brand new
Or it's been knocked around. . .
I swear they 're all the same, babe,
When you turn them upside down.

 - Andrew Vachss, Bluebelle. Berlin und Frankfurt am Main 1991

Radio (3)  

 Radio

Radio, du schützt mich
vor der Art, wie diese Straße aussieht,
oder der Art, wie dieses Zimmer aussieht.

O Radio! O schönes japanisches
AM? FM Transistor!

Ich kann deinem bezaubernden Schutz nicht widerstehen
der Injektion deiner Ohrenstecker.

Du schickst mich in einen neuen Hafen
aus purer Musik,
wo alles laut und
symmetrisch und
persönlich ist. "   -

(Warum ist diese Straße, dieser Raum
so asymmetrisch?)

Du fütterst mich mit Nachrichten aus
Südost-Asien,
Moskau
und New Haven, Conn.

Aber es ist alles dasselbe.
Es kommt zum einen Ohr rein und geht zum anderen raus.

Ich brauche nicht nach etwas zu suchen,
oder wenn ich etwas suchen muß,
dann brauch ich es nicht zu finden.

Es ist wie „The Good Guys"
gegen die „All Americans".
Es sind Nachrichten.
Es ist „Liebe".

Radio, du schützt mich
vor der Art, wie diese Straße aussieht,
oder der Art, wie dieses Zimmer aussieht
mit dem Durcheinander
aus Schallplatten und Turnschuhen und Heften,
oder vor der Art, wie der Himmel aussieht.

O Radio! Ich liebe dich.
Du bist meine rosige Brille,
mein Auftrieb,
mein Kissen aus elektrischen Gitarren
und überquellenden Echokammern.

- John Perreault, nach: Acid. Neue amerikanische Szene. Hg. Brinkmann & Rygulla. Frankfurt am Main 1981 (zuerst 1969)

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