Rabenaas ... es gibt ein gewisses menschliches Herz, das man nicht unmittelbar und streng aus der schlammigen Gewalt herauspräparieren kann, es ist das Herz des Rabenaases, das einen liebt. Den andern gegenüber ist es keinen Pfennig besser als die andern, aber für uns würde es sich hängen, würde es sich töten lassen. Man darf ihm dafür nicht schon allzu dankbar sein, denn wie ich bereits sagte, gegenüber der übrigen Welt ist und bleibt es ein Rabenaas; es liebt uns instinktiv, unwiderstehlich, wie unser Pudel, der sich ins Wasser stürzt, um uns zu folgen, ohne zu wissen, ob er schwimmen kann.  - (lim)

Rabenaas (2)  Herr von Villarseaux und die Tochter einer Frau von Espinay faßten beide Zuneigung zueinander; und halb im Scherz, halb im Ernst erhielt er alles, was er wollte. Anderntags schrieb sie ihm, sie sei in großer Verzweiflung über das, was sie getan habe, daß sie sterben wolle, usf. Indessen wurde nichts aus der Heirat, und Castelnau-Mauvissiere heiratete sie. Villarseaux kehrte zu ihr zurück, als sei nichts gewesen, und sobald der Gatte bei der Armee war, begann der Umgang zwischen ihnen wieder. Das alles währte recht lange, obwohl Villarseaux vermählt war, denn er hatte Fräulein von Esche geheiratet, deren Bruder verrückt geworden war vor Liebe zu Fräulein von Gramont, heute Frau von Saint-Chaumont. Zehn Jahre lang wollte er nicht aus ihrem Gefolge weichen, seit der Heirat seiner Schwester ist er wieder zu Sinnen gekommen und hat Fräulein von Clin-chant geheiratet. Castelnau hatte Erfolg bei der Armee, er gelangte bis zum Rang eines Generalleutnants. Er hing als General der Armee gemalt im Bettgäßchen des Lagers, auf dem man ihn zum Hahnrei machte. Beim Gefecht selbst hatte sie ihn vor Augen, und während des Gefechts sagte sie in einem Ton zwischen Seufzen und Schaudern: «Muß ich solch ta-ta-tapferem Ma-Mann Unrecht tun!» Und manchmal schrie sie auf: «Großer Held, werdet Ihr mir verzeihen?» Bei all dem sieht er gut aus; ich glaube aber, er hat nicht viel Feuer, und tauglich ist er nur in dem Handwerk, das er ausübt.

Schließlich kam Villarseaux ein Verdacht; er glaubte, daß Nouveau, der Schwager der Dame, mit ihr zu vertraut war; er fragte ein kleines Mädchen und brachte sie dazu, indem er mit ihr schäkerte, zu erzählen, daß Nouveau und seine Mama sich küßten. Einmal, als sie ihm gegenüber geheimnisvoll tat und es den Anschein hatte, sie wolle ihn loswerden, erschien Nouveau; da war sie nun in Verlegenheit. Er zog daraus den Schluß, dies sei ein Stelldichein und deswegen habe man soviel Umstände gemacht; er brauste ganz fürchterlich auf und sagte zu Nouveau: «Gehen wir, und derjenige, der davon am wenigsten hatte, überläßt sie seinem Kameraden.» Er wies zweihundert Briefe vor, Porträts, Armreifen aus Haaren von allen möglichen Stellen. Nouveau gestand ihm, daß er von ihr nur Küsse bekommen habe. «Wenn Ihr mir aber», sagte er, «davon mehr verschaffen könnt, würde mir das große Freude bereiten.» In dieser Wut gab er ihm ich weiß nicht wie viele Briefe, und nachdem er die Dame als Rabenaas bezeichnet hatte, verstreute er den Rest in ganz Paris. Es heißt, Nouveau sei sein Nachfolger gewesen.  - (tal)

Rabenaas (3)  Es hielt sich ein Jäger bei mir auf, welcher seine meiste Zeit mit Vogelfangen zubrachte, zu welchem Vogelfang er gar viel Leimruten brauchte. Einstmals kam meine Tochter in seiner Abwesenheit über das Leimleder und bekleckte mit solchem das ganze heimliche Gemach. Wer sich nun dessen gebrauchen wollte und nicht gute Obsicht hatte, der blieb eine geraume Zeit mit dem Hintern auf dem Brett kleben, und wenn ich sie darum strafte, so zeigte sie mir die Feigen und drohte, so ich ihr nur mehr das Geringste tun würde, so wolle sie in ein Wasser springen und sich ersäufen. Letztlich hielt ich ihr einen Praeceptorn aus der Stadt, aber es war ein junger Gelbschnabel, welcher außer dem Vaterland nicht viel Pfennigsemmel gegessen hatte. Mit demselben trieb sie ihren absonderlichen Mutwillen und nähete ihm oft in der Nacht Hosen, Wams, Strumpf und Schuhe zusammen. Sie war so keck, daß sie nachts auf einen Bogen Papier hofierte und es den Mägden über das Fenster hinunter auf die Köpfe warf. Und wenn sie in die Kirche gehen sollte, stellte sie sich trefflich krank und gab fast alle Tage eine neue Unpäßlichkeit vor. Wenn sie über den Branntwein kam, so konnte sie kein Mensch von dem Glas wegbringen, bis ihr die Flamme zum Hals ausschlug, die mußten wir mit Milch oder Urin wieder löschen, und hat mich vielmal gereuet, daß ich das Rabenaas nicht zu Staub und Asche habe verbrennen lassen. - Johann Beer, Jucundi Jucundissimi Wunderliche Lebensbeschreibung Das ist Eine kurzweilige Histori Eines/von dem Glück/wunderlich erhabenen Menschens/welcher erzehlet/wie und auf was Weis er in der Welt/unter lauter abentheuerlich= und seltsamen Begebenheiten herum gewallet/bis er endlich zur Ruhe gekommen/In welcher Unterschidliche Begebenheiten durch die Hechel gezogen/und sonsten allerlei merkwürdge Zufälle der vorwitzigen Welt offenbaret und entworfen werden. In: J. B., Das Narrenspital. Reinbek bei Hamburg 1957 (zuerst 1680)
 
 

Weibsstück Aas

 

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