ygmäen-Riesen-Schlacht
Alles verkommt an einer bestimmten Stelle des Avinavoliotoneberlinghieri-Eposzu einer großen Schlacht, das heißt zu einer Art Gären der Eingeweide,
und da, wir sind im XIV Gesang, das heißt in einer fortgeschrittenen Phase des
Albtraums, da bittet Malagigi die Pygmäen um Hilfe.
Wie ihm das in den Sinn kommt, versteht man nicht, wie einem auf einmal die
Pygmäen als Lösung in den Sinn kommen; denn die Pygmäen wohnen sehr weit weg,
über Schweden und über das Moskowitische Königreich hinaus, in den vereisten
Landen beim Polarkreis, ungefähr an irgendeinem Ort des asiatischen Sibirien,
dessen Namen man aber damals noch nicht wusste. Sie hatten von ihrem Ursprungsort
fliehen müssen, der warm war und im Sunda-Meer in Südostasien lag, denn sie
hatten einen ewigen Krieg mit den Kranichen, von denen sie als Futter aufgepickt
wurden. Die Pygmäen waren zwar klein, aber auf einmal hielten sie es nicht mehr
aus und emigrierten so weit weg wie möglich, das geschah vor ca. dreitausend
Jahren. Wie es Ma-lagigi in den Sinn gekommen war, sie zu rufen, wird nicht
erklärt, aber wenn die Riesen in diesem Epos das Ergebnis einer schwer verdaulichen
und schlecht verdauten Mahlzeit, also der Mundgeruch sind, dann bedeuten die
Pygmäen (im Sinn des Traums) das Bikarbonat. Auf einmal entsteht in dem Darmteil
des Buches, zwischen Magenausgang und Zwölffingerdarm, ein derartiger Stau,
dass die gewöhnlichen Methoden der Paladine nicht mehr ausreichen, ja der Stau
nimmt sogar zu (auch wenn es sich um einen Gespensterstau handelt). Und genau
da kommt Ma-lagigi etwas Ätzendes oder etwas Kaustisches, sowas wie ein Abführmittel,
in den Sinn, das die unverdauliche Masse zum Gären bringt und in eine weiche,
fäkale Materie verwandelt. Das wird im Buch nicht ausdrücklich gesagt, aber
es ist die das ganze Buch prägende Logik. Die Riesen werden allmählich unverdaulich,
auf geistiger Ebene, und auf geistiger Ebene greift man zu einem Dyspeptikum,
und das ist der Gegenspieler: die Pygmäen, die Salzsäure (die auch im Magen
selbst erzeugt wird und die man zur Entstopfung der Klos verwendet). Die Pygmäen
sind korrosiv, sie dringen auch in die Riesen ein und zersetzen sie. Sie schlüpfen
die Nase hinauf, schneiden die Zähne ein, verletzen die Augen, dem Scrollaghian-de
schlüpfen sie in die Unterhose, und als er schreit, kriecht ein anderer Pygmäe
in seinen Mund, rutscht durch die Kehle hinunter, in den Magen hinein, bewirkt
dasselbe wie ein akutes Magenundzwölffingerdarmgeschwür, das die Magenwand durchbricht
und einen ins Jenseits befördert. Dem Riesen Ramatone schlüpft ein Pygmäe ins
Ohr, wie eine schwere Mittelohrvereiterung, er durchbricht das Trommelfell und
schiebt sich ins Gehirn. Der Riese windet sich, rast herum und schreit, schüttelt
seinen Kopf, bis er es nicht mehr aushält und umfällt; und viele andere Riesen
fallen um, von Pygmäen übersät wie von einer Krankheit mit eitrigen Pusteln
oder einer Verpestung durch Flöhe, so steht zu lesen. Bis zuletzt nach dieser
Arbeit der Zersetzung der festen Gewebe (wie Malagigi vorausgesehen hatte) der
Stau der Riesen lockerer wird, die übrig gebliebenen Heiden auf die Pferde steigen,
kehrtmachen und davonreiten, wie sich ein Waschbecken mit einem letzten Blubbern
leert: Das darin stehende Wasser bildet einen Wirbel und das ganze aufgelöste
Dreckszeug wird in das Rohr hinuntergesaugt. Auf der Ebene der Gespenster bedeutet
das, dass alle Riesen des Albtraums entschwinden, und mit ihnen die Pygmäen,
dass sie wieder zu nichts werden, sich mit der Tatsache abfinden, nicht zu existieren;
das muss ihr letztes konzentriertes Auftreten gewesen sein. - Ermanno Cavazzoni, Das kleine Buch der Riesen. Berlin
2010
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